Notfälle

Maßnahmen bei den häufigsten Notfällen

Es gibt unzählig viele verschiedene Notfallsituationen, weshalb in diesem Rahmen nur die mit der größten Praxisrelevanz  beschrieben werden. Ziel ist es mit knappen Worten das Wichtigste für Sie aufzuzeigen. Sie werden feststellen, dass Sie in meisten Fällen wenig selbst unternehmen können, das wenige ist aber in der Regel wichtig.

Die Themen:

 

Kolik

Die Symptome der Kolik sind den meisten bekannt. Kolik besagt erst mal nicht mehr als Bauchschmerz. Kolikschmerz rührt meist von Darmproblemen, kann aber auch andere Ursachen haben. Am auffälligsten sind die charakteristischen Schmerzäußerungen wie:Kolik Pferd

  • Scharren
  • Zum Bauch umsehen
  • Frequentes Wälzen
  • Schwitzen
  • Hoher Puls

Die Belastung des Kreislaufes  zeigt sich neben einem erhöhten Puls auch in farblich veränderten Schleimhäuten, wenn sich der Verlauf zuspitzt

Vorsicht: Kolik kann sich aber z.B. bei Verstopfungen auch in auffälliger Ruhe, mangelndem Appetit und vermehrtem Liegen äußern.

Erste Hilfe

  • Führen
  • Nach Möglichkeit nicht wälzen lassen, solange die Ursache der Kolik nicht geklärt ist
    • entspannend für das Pferd
    • lenkt vom Schmerz ab
    • verhindert im Risikofall die Entstehung oder Verschlimmerung einer Darmverschlingung
  • Wenn das Wälzen nicht zu verhindern ist, auf  weichen Untergrund verbringen (evtl. Reithalle)
  • Schnell den Tierarzt rufen

 

Kreuzverschlag

Typische Symptome sind:

  • Steifheit
  • Bewegungsunwilligkeit
  • Allgemeine Schmerzhaftigkeit
  • Bei starken Schmerzen auch Schwitzen

Außerdem auftreten können:

  • Evtl. hoher Puls
  • Evtl. flache Atmung
  • Evtl. erhöhte Temperatur

Die Beurteilung von Schmerzhaftigkeit und Verhärtung der Muskulatur ist häufig unzuverlässig und kann in beide Richtungen in die Irre führen. Ein Verschlag muss nicht immer mit einer offensichtlich erkennbaren Schmerzhaftigkeit oder Verhärtung der Muskulatur einhergehen. Umgekehrt bedeutet eine schmerzhafte Muskulatur nicht gleich Verschlag.

Mehr zu dieser Erkrankung im Abschnitt über Muskelerkrankungen in EquiVetInfo.

Erste Hilfe

  • Nicht mehr bewegen
  • Wenn im Gelände, mit Pferdehänger abholen lassen (Im Zeitalter des Handys kein Problem mehr)
  • Eindecken nur bei kalten Außentemperaturen
  • Keinen Hitzestau verursachen, die Pferde sind oft überhitzt
  • Wasser anbieten, sofern verfügbar
  • Schnell den Tierarzt rufen

 

SchlundverstopfungSchlundverstopfung Pferd

Die Symptome einer Schlundverstopfung sind recht charakteristisch:

  • Starkes Speicheln und Würgen, evtl mit Husten
  • Austritt von Futter aus den Nüstern

Erste Hilfe

  • Führen, um das Pferd etwas abzulenken
  • Kopf möglichst tief halten, damit so wenig wie möglich in die Luftröhre/Lunge läuft
  • Kein Futter oder Wasser anbieten
  • Schnell den Tierarzt rufen

Massieren auf dem Schlund bringt wenig, da die Verstopfung in aller Regel vor dem Mageneingang liegt und nicht im Halsbereich.

Bei Pferden, die eine Schlundverstopfung hatten, sollte man mit der Fütterung von quellendem Futter (Rübenschnitzel, Pellets) vorsichtig ein.

 

Hitzeschlag / ÜberhitzungHitzeschlag Pferd

Die Symptome können sehr unspezifisch und unauffällig sein. Meist wird das Problem erst bemerkt, wenn das Pferd keine Leistung bringt oder schon im Schock ist.

  • Schwäche und Abgeschlagenheit
  • Sehr hoher Puls
  • Meist flache Atmung
  • Bleiche Schleimhäute
  • Hohe Körpertemperatur
  • Im fortgeschrittenen Stadium Schockzustand

Erste Hilfe

  • In kühlen schattigen Bereich verbringen
  • Wiederholt mit Wasser abduschen
    • Nacken und Ganaschenregion
    • Zwischenschenkel Hinterbeine
  • Ventilator, wenn verfügbar
  • Wasser anbieten

In fortgeschrittenen Stadium ist Eile geboten und muss zügig vom Tierarzt eingegriffen werden. In den nicht so gravierenden Fällen  muss vom Tierarzt überprüft werden, in wie weit eine medizinische Versorgung notwendig ist.

Die meisten Fälle des Hitzeschlags wären in unseren Breiten vermeidbar. Sie entstehen nämlich auf den Turniren im Hochsommer, wenn Pferde bei sengender Hitze längere Zeit auf dem Pferdehänger “zwischengeparkt” werden.

 

HufreheHufrehe Pferd

Die Symptome einer Hufrehe müssen nicht immer offensichtlich sein. Eine eingehende Beschreibung sprengt den Rahmen dieses Artikels. Ausführliche Informationen findet man im Abschnitt über Hufrehe in EquiVetInfo. Kardinalsymptome sind:

  • Bewegungsunwilligkeit
  • Zeitlupenbewegung
  • Sägebockstellung gei untergeschobener Hinterhand
  • Drehschmerz

Erste Hilfe

  • Auf  weichen Untergrund verbringen
    • Weich bzw. tief einstreuen
    • Ideal wäre weicher Sandboden
  • Nicht unnötig bewegen
  • Im akuten Fall Eiskühlung (die Wirkung ist meist nur eine subjektive Linderung, um eine tatsächliche Wirkung zu erzielen, müsste die Eiskühlung deutlich vor dem Eintritt der klinisch wahrnehmbaren Schmerzen erfolgen und es müssen Stiefel vorhanden sein, die bis zum Karpalgelenk reichen)
  • Den Tierarzt zeitnah rufen

Detaillierte Infos zur weiteren Therapie finden sich ebenfalls im Artikel über Hufrehe.

 

Verletzung

Eine große klaffende Wunde ist ein offensichtlicher Notfall. Schwierig wird es für den Laien, wenn die Wunde klein ist, wenig blutet und unscheinbar erscheint. Die Symptome einer gefährlichen Wunde sind nicht immer offensichtlich.

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Ohne genaueres Hinsehen wird eine solche Wunde wie auf den Fotos hier leicht unterschätzt. Die Sehnenscheide ist eröffnet, was eine sofortige Operation erfordert, will man die Brauchbarkeit des Pferdes erhalten.

Erste Hilfe bei starke Blutung

  • Anlegen einer Staubinde
  • Evtl. abdrücken mit Tupfer, wenn keine geeignete Staubinde vorhanden  oder sich die Körperregion nicht eignet
  • Druckverband anlegen (Vorsicht bei zu hohem Druck über zu langen Zeitraum kann man das Bein auch abschnüren)
  • Im Notfall darf man bei anhaltenden lebensbedrohlichen Blutungen Daumen oder Faust auf das eröffnete Gefäß drücken

Gut geeignet ist ein etwas breiterer Fahrradschlauch. Dieser muss natürlich in der Stallapotheke für den Ernstfall griffbereit liegen.

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Die Staubinde darf nicht wesentlich länger als 20 min angelegt bleiben! Dann den Stau erst mal wieder lösen (oft steht die Blutung dann schon) und nur bei Bedarf nach einigen Minuten wieder anlegen, sonst riskiert man u.U. das Absterben der Gliedmaße.

Bei unspektakulären Verletzungen ist die Lokalisierung wichtig. Kritische Stellen sind Regionen in Gelenksnähe oder über Sehnenscheiden. Ohne anatomische Kenntnisse ist die Einschätzung natürlich schwierig bzw. unmöglich. Es ist daher nicht verkehrt, wenn man eine gewisse Vorstellung hat,  wo Gelenke direkt unter der Haut liegen.

Immer ein Alarmsignal ist:P1080250

    Farblose oder bernsteinfarbene Flüssigkeit, die in kleinen Mengen aus einer Verletzung in Gelenksnähe läuft. Dies ist ein Anzeichen für die Eröffnung des Gelenkes. Ohne eine schnelle intensive medizinische Versorgung droht der Verlust des Gelenkes, wenn es zur Infektion kommt.

Grundsätzlich gilt bei tieferen Verletzungen: sowenig wie möglich an der Wunde manipulieren. Wenn man meint man müsste eine Wunde säubern, dann nur grob säubern ohne Verschmutzung weiter in die Wunde zu verschleppen. In der Regel macht der Laie die Situation nur schlimmer. Fremdkörper lässt man stecken bis der Tierarzt kommt, es sei den es droht die Gefahr, dass sie tiefer eindringen. Auch Salben oder Wundsprays sind zumindest als Erste Hilfe Maßnahme eines Notfalls, der tierärztlich versorgt werden muss, nicht hilfreich.

 

Hochgradige Lahmheiten

Die meisten hochgradigen Lahmheiten sind glücklicher Weise harmlos. Aber eben nicht alle. Um dies besser einschätzen zu können, sollte man versuchen einige Kriterien zu beurteilen:

  • Stärke des Schmerzes
  • Grad der Lahmheit
  • Vermehrte Wärme
  • Schwellung

Die wichtigsten Gründe für eine hochgradige Lahmheit (Pferd tritt nicht mehr auf) sind:

  • Einschuss
  • Hufgeschwür
  • Fraktur oder Fissur (Riss im Knochen)
  • Hochgradiger Sehnenschaden oder Niederbruch (Abriss der Sehne)

Methodik:

  • Wie schmerzhaft reagiert das Pferd?
    • Grad der Lahmheit:
      • Kann das Pferd noch belasten, wenn es angeführt wird
      • Setzt es nur die Zehenspitze auf (Zehenspitzenfußung)
      • Kann es den Huf im Schritt noch normal aber mit verminderter Belastung aufsetzten
    • Druckempfindlichkeit:
      • Zieht es die Gliedmaße bereits auf leichten Druck weg oder zuckt es erst, wenn sie fester zupacken
  • Weitere  Befunde beim Abtasten:
    • Wie fühlt es sich an?
    • Ist die Schwellung 
      • klar abgegrenzt?
      • derb = die Schwellung lässt sich nicht eindrücken
      • teigig, ödematös = lässt sich eindrücken und es bleibt eine Delle in der Haut
      • fluktuierend = Flüssigkeitsbewegung lässt sich ertasten, wie ein Blase an der Hand
    • Vergleichen Sie die Gliedmaßen
    • Ist das Bein/die Stelle wärmer als auf der anderen Seite?

Frakturverdacht und Verdacht auf Niederbruch

Wenn es kein offener Bruch ist, besteht für den Nicht-Tierarzt meist nur der sehr beunruhigende Verdacht.

Erste Hilfe:

  • Nicht unnötig bewegen, bis der Verdacht ausgeschlossen werden kann
  • Bei offensichtlichen Instabilitäten werden Sie es in der Regel ohne Übung nicht schaffen eine hilfreiche Schiene anzulegen
  • Tierarzt rufen

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Trümmerfraktur des Fesselbeins im Transportgips

 

Einschuss

Symptome eines Einschusses (Phlegmone)  im AKUTEN Zustand

  • Hochgradige Lahmheit
  • Starke uniforme Schwellung
  • Große Schmerzen beim Abtasten
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Erste Hilfe:

  • Selbstmedikation mit Entzündungshemmern oder Schmerzmitteln wie  z. B. Phenylbutazon sollte man unterlassen, solange nicht geklärt ist was los ist. Notwendig ist die Behandlung mit einem Antibiotikum.
  • Womit Sie nichts falsch machen ist das Anlegen eines Rivanolverbandes.
  • Nicht bewegen bis der Tierarzt die Diagnose gestellt hat.

Bei hochgradiger Lahmheit mit  Schwellung muss man aber auch an das Hufgeschwür, den Sehnenabriss und  den Frakturverdacht denken.  Hufgeschwür und Fraktur kommen jedoch oft ohne deutliche Schwellung vor.

 

Fremdkörper/Nageltritt

Das Vorliegen einer Fremdkörperverletzung ist - vor allem beim Nageltritt -  nicht immer so offensichtlich. Wenn man einen Fremdkörper gefunden hat gilt als

Erste Hilfe:

  • In der Regel den Fremdkörper nicht entfernen, wenn keine Gefahr des weiteren Eindringens besteht
  • Sonst, wenn möglich tieferes Eindringen verhindern
  • Evtl. Kürzen
  • Tierarzt rufen

Wenn der Fremdkörper entfernt wurde, kann der Tierarzt die Verletzung wesentlich schlechter beurteilen und bei der Verletzung eines größeren Gefäßes verhindert der Fremdkörper eine massive Blutung.

Nageltritt

Das Röntgenbild zeigt eine Sonde im Stichkanal eines Fremdkörpers, der durch die Beugesehne bis in das Hufgelenk vorgedrungen ist. Solche Verletzungen sind meist katastrophal, wenn sie nicht rechtzeitig behandelt werden.

 

Hufgeschwür

Ein Hufgeschwür ist eigentlich kein richtiger Notfall, auch wenn die Lahmheit hochgradig ist. Dennoch wir ein Hufgeschwür meist als solcher versorgt, alleine schon deshalb, weil die Diagnose gestellt werden muss und es ja auch etwas schlimmeres sein könnte. Auch verschleppte Hufgeschwüre sind in aller Regel in den Griff zu bekommen, es sei denn es liegt eine sehr umfangreiche Vereiterung der Wand vor wie im nachfolgenden Bild  bei einem Fohlen (konnte auch geheilt werden)

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Gering- oder mittelgradige Lahmheiten sind in der Regel kein Notfall. Aber auch bei geringeren Lahmheiten sollte auf Selbstmedikation, abgesehen vom Rivanolverband bei kleinen Verletzungen, verzichtet werden. Nicht selten verbirgt sich hinter der geringen Lahmheit mit mehr oder weniger Schwellung eben doch mehr, wie das Bild mit dem Griffelbeinbruch zeigt.

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Verletzungen im Röhrbeinbereich ziehen oft ein Griffelbein in Mitleidenschaft. Zum Ausschluss einer Fraktur des Griffelbeins sollte daher eine Röntgenaufnahme gemacht werden. Da die Griffelbeine kaum Last tragen, fehlt häufig der bei einer Fraktur erwartete Schmerz, weshalb die betroffenen Pferde oft nicht deutlich lahm sind.

 

Gravierende Augenerkrankungen

Die Symptome einer gravierenden Augenerkrankung sind in der Regel offensichtlich, denn das Auge wird schmerzhaft zugekniffen.

Erste Hilfe:

In der Regel können Sie nicht mehr tun, als den Tierarzt rufen oder bei schweren Hornhautverletzungen wie im folgenden Bild gleich in eine dafür ausgerüstete Klinik zu fahren.

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Bei weniger offensichtlichen Augenerkrankungen sollten Sie auch von Selbstmedikation absehen, da dies beim Auge schnell “in´s Auge” gehen kann.

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Besonders wenn eine  zu Anfang unscheinbare bzw. nicht ohne Hilfsmittel erkennbare Hornhautverletzung wie im obigen Bild mit Kortisonsalben behandelt wird, kann es schnell zur Katastrophe kommen. Also auch bei weniger gravierender Symptomatik:

  • Trotzdem den Tierarzt rufen
  • Keine Selbstbehandlung
  • Nie Kortison!!!! ohne vom Tierarzt angeordnet

 

Um es zusammenfassen: Was mach ich bis der Tierarzt kommt?

  • Ruhe bewahren !
  • Besonnen der Situation angepasst handeln
  • Wenn der Transport in eine Klinik zu erwarten ist, frühzeitig Transportmöglichkeiten organisieren

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 Copyright 2010  Dr. C. A. Bingold. Eine Weiterverbreitung, Verarbeitung gleich welcher Art und der Ausdruck ist abgesehen vom persönlichen Eigengebrauch nicht gestattet.