Akut

Verfasser der Artikel ist soweit nicht anders vermerkt Dr. C. A. Bingold, Pferdeklinik Großostheim

Die Therapie der akuten Hufrehe berücksichtigt folgende Punkte:

  • Medizinische Notfallversorgung
    • Entzündungshemmung
    • Weitstellung der Gefäße, Blutdrucksenkung
    • Gerinnungshemmug
    • Antioxidantien
  • Fütterung
    • Kraftfutterentzug
    • Alleinige Heufütterung
  • Mechanische Unterstützung
    • Weiche tiefe Einstreu
    • Hufpolsterverbände

 

Medizinische Notfallversorgung

Ein Grundproblem bei der Behandlung der akuten Rehe liegt darin, dass Anzeichen eines akuten Reheschubes erst auftreten, wenn die Verbindungsschicht zwischen Hufbein und Hornkapsel (der Hufbeinträger) bereits erheblich geschädigt ist. Schmerzen treten erst auf, wenn sich die Verbindung löst und das Hufbein sich aus seiner Position zu drehen oder senken beginnt. Erst mit diesem mechanischen Prozess treten die klassischen Reheschmerzen auf. Dann ist es aber eigentlich schon zu spät, da der Hufbeinträger bereits so weit geschädigt ist, dass er das Gewicht des Pferdes nicht mehr tragen kann. Wir kommen mit unserer Behandlung also eigentlich immer zu spät.

Bei der medizinischen Versorgung gab es eine Zeit, in der man den Rehepferden so gut wie alles, was in der Apotheke zu finden war, gleichzeitig geben sollte. Heute beschränkt sich der Einsatz von Medikamenten weitgehend auf die Gabe von Entzündungshemmern. Dabei kommen die nichtsteroidalen Entzündungshemmer (NSAID) wie Equipalazone, Apirel, Finadyne,... zum Einsatz. Die ausreichende Versorgung mit diesen Entzündungshemmern ist bei der akuten Rehe extrem wichtig. Je früher NSAID´s eingesetzt werden, desto eher können die entzündlichen Prozesse, die den Hufbeinträger zerstören, gebremst oder gar aufgehalten werden. Außerdem wird der Teufelskreislauf des durch den Schmerz bedingten Stresses abgemildert.

Beim Einsatz von NSAID´s muss man daran denken, dass sie als Nebenwirkung Magengeschwüre verursachen, besonders unter der Stresssituation der Hufrehe. Ein Magengeschwür muss das Pferd nicht sichtbar stören, aber es kann unangenehm oder gar schmerzhaft sein. NSAID´s sind aber in der Akutbehandlung einer Hufrehe zwingend notwendig. Insofern kann es sinnvoll sein Medikamente zu verabreichen, die den Magen schützen.

Die Bedeutung von Gefäßweitstellung und Blutdrucksenkung im Huf (geringe Dosis Vetranquil) und Drchblutungsförderung bzw. Gerinnungshemmung (Heparin, Aspirin) wird inzwischen angezweifelt, man hat aber klinisch den Eindruck, dass sie den Pferden gut tun.

Alles andere scheint bei der “normalen” akuten Rehe überflüssig, wenn nicht gar schädlich zu sein. Immer noch im Einsatz ist DMSO, das infundiert wird, Opiat- und Nitroglycerinpflaster und Antioxidantien, die über Zusatzfuttermittel gegeben werden. Die Wirkung dieser Präparate ist sehr umstritten, vermutlich können sie am Verlauf der Rehe nichts ändern, auch wenn von der Theorie her der Einsatz sinnvoll erscheint.

Medizinische Gründe wie zum Beispiel eine Nachgeburtsverhaltung können andere Medikamente notwendig machen.

Kühlen oder Anbringen von Eispackungen hilft nicht den Reheschub zu beeinflussen. Es sei denn, man kühlt vor Eintreten der klinisch sichtbaren Schmerzen. Aber auch dann macht es nur Sinn, wenn die Gliedmaßen bis zum Ellenbogen im Eiswasser stehen. Man kann sich den Aufwand also sparen, da man zu spät kommt.

 

Fütterung

Was die Fütterung betrifft ist es bei der akuten Rehe recht einfach: Es wird in der Regel alles energiereiche Futter entzogen. Die Fütterung beschränkt sich auf Heu und Mineralfutter ohne leicht verdauliche Kohlenhydrate. Braucht ein Pferd aus ganz speziellen Gründen mehr Energie, muss mit geeigneten Futtermitteln zugefüttert werden.

 

Mechanische Unterstützung

Die zweite entscheidende Säule bei der Therapie einer akuten Rehe ist die mechanische Entlastung des Hufes. Darunter versteht man Maßnahmen, die den mechanischen Prozessen Hufbeinrotation und Hufbeinsenkung entgegensteuern und die Durchblutung wiederherstellen..

Dass ein Pferd mit Hufrehe in einer tief und weich eingestreuten Box stehen muss, ist selbstverständlich. Ideal ist relativ tiefer, weicher Sand, sonst eine tief eingestreute Spähnebox.

Von entscheidender Wichtigkeit ist die best´ mögliche Umverteilung der Belastung im Huf. Im Vordergrund steht die Neutralisation der Rotationskräfte durch die tiefe Beugesehne (Hochstellen der Trachten) und die Polsterung der Sohle unter Freilassung des Bereichs der Hufbeinspitze.

Hufrehe Verband 00
Der grüne Keil deutet das keilförmige Polster an, das in diesem Fall die Trachten anhebt und die Last auf den Strahl und die Trachtenregion verlagert. Die Hubeinspitze muss frei sein (roter Pfeil), weshalb das Polster erst einen Daumen hinter der Strahlspitze beginnen darf (gelber Pfeil). Die Strahlspitze markiert man beim Röntgen mit einem Reisnagel. Auf dieser Aufnahme ist ein so genanntes Lilly Pad untergelegt.

 

Sohlenquetschung
Venografie 0302
Diese Bilder sollen verdeutlichen, weshalb jeglicher Druck von der Hufbeinspitze genommen werden muss. Bei einer Hufbeinroration drückt die Hufbeinspitze auf die Sohle, die Huflederhaut wird gequetscht und die Durchblutung unterbunden. Auf rechten Seite ist auf der Gefäßkontrastmittelaufnahme die Blutung in die abgelöste Verbindungsschicht zwischen Hufbein und Hornwand zu erkennen. 

In der akuten Phase eignen sich Polsterverbände, durch die die Last von der Zehe auf den Strahl und die Trachten umverteilt wird. Bewährt haben sich hierzu in unserer Klinik Einlagen aus relativ festen Schaumstoffplatten.

 

Beispiel für einen Hufreheverband

 Hufrehe Verband 02Das Pferd wird auf die Platte gestellt.

Hufrehe Verband 04Der Umriss des Hufes wird markiert.

Hufrehe Verband 06Entlang der Markierung wird das Polster ausgeschnitten.

 

 

 

 

 

Hufrehe Verband 07Sehr wichtig ist, dass man den Zehenteil des Polsters abschneidet, um so den Bereich der Sohle im Zehenbereich aus der Belastung zu nehmen. Nur die Trachten, Eckstreben und der Strahl sollen tragen.

 

 

 

 

Hufrehe Verband 09Das Polster wird lose angeheftet.

 

 

 

 

 

 

Hufrehe Verband 10Fixierung des Polsters mit einem Hufverband.

 

 

 

 

 

 

Das Pferd sinkt in das weiche Styropor ein und steht so wunderbar weich. Das Polster kann man nach dem Verbandswechsel wieder verwenden. Wenn eine Hochstellung im Trachtenbereich notwendig ist, um den Zug der tiefen Beugesehne zu verringern, kann man dies durch aufdoppeln mit entsprechenden zusätzlichen Schaumstoffstücken oder Holzkeilen, die untergeklebt werden, erreichen.

Hufrehe Verband 11
Hufrehe Verband 12
Das Polster, nachdem das Pferd in den Schaumstoff “eingesunken” ist.

 

Hufrehe Verband 13Eine Alternative ist ein vorgefertigter Gummikeil (Lilly Pad), der in den Verband integriert wird. Der Nachteil liegt darin, dass der Keil das Gewicht weitgehend auf den Strahl verlagert, er nicht so weich und anpassungsfähig ist und er bei manchen Pferden (wie in diesem Fall) zu lang ist.

 

 

 

 

Es gibt noch unzählige andere Techniken, um das Ziel der Entlastung der Zehenregion zu erreichen.

Schon in er akuten Phase kann es sinnvoll sein, am Kronrand der Zehe eine breite Rinne zu schneiden, die bis in die weiße Linie reicht. Wenn die Kontrastmittelaufnahme zeigt, dass es durch Druck am Kronrand zur Unterbrechung der Durchblutung kommt, sollte diese Rinne geschnitten bzw. geraspelt werden. Man nimmt so viel Horn weg, bis man das Gefühl hat, dass der Kronrand elastisch ist und leichte Sickerblutungen auftreten. Der Defekt in der Hornkapsel wird mit Fassdichte ausgeschmiert, um ein Austrocknen des Horn zu verhindern und die Elastizität zu erhalten. Die Entfernung großer Teile der Zehenwand hat sich nicht bewährt und sollte unterbleiben, da dadurch die Hornkapsel lediglich destabilisiert wird.

Kronrandquetschung
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In der Gefäßkontrastmitteldarstellung rechts erkennt man die Durchblutungsstörung am Kronrand, die durch die Quetschung (rote Pfeile) hervorgerufen wird.

 

DSC04464Hier ein Beispiel für eine Rinne am Kronrand. Um ihren Zweck zu erfüllen, muss die Rinne tief genug geschnitten oder geraspelt sein.

 

 

 

 

 

Quetschung202Die grünen Pfeile zeigen auf eine Rinne, die dadurch entstanden ist, dass der Blutfluss hier vor einigen Wochen vollständig abgequetscht wurde und es zur Zusammenhangstrennung kam.

 

 

 

 

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Der Autor übernimmt ausdrücklich keine Haftung für aus diesen Seiten abgeleitete Maßnahmen, für angegebene Dosierungen, Nebenwirkungen oder Schäden in Folge der Anwendung von Präparaten oder Maßnahmen. Die Dosierung ist im Einzelfall zu prüfen. Die Präparate dürfen nur von Tierärzten angewandt werden. Die Zulassung der Präparate für das Pferd ist im Einzelfall zu prüfen. Nicht für das Pferd und für die jeweilige Indikation zugelassene Medikamente anzuwenden ist strafbar.


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