Fütterung

Verfasser der Artikel ist soweit nicht anders vermerkt Dr. C. A. Bingold, Pferdeklinik Großostheim

Die Fütterung von Pferden mit Hufrehe ist einerseits einfach, andererseits dann aber in der Praxis doch mit Problemen behaftet. Einfach in sofern, als das Grundprinzip die Einhaltung des Bedarfs des Pferdes ist. Das bedeutet den Erhaltungsbedarf bestimmen und nicht überfüttern. In der Regel müssen die Pferde abspecken. Die allermeisten betroffenen Pferde benötigen kein Kraftfutter.

Das Problem beginnt für den Pferdehalter mit der Bestimmung des Grundbedarfes und endet mit der Frage, was er überhaupt füttern darf ond/oder muss. Da heute fette Pferde modern sind, ist für viele Besitzer auch die korrekte Einschätzung des Ernährungszustandes schwierig geworden.

Ich kann an dieser Stelle keinen Fütterungskurs anbieten, will aber versuchen einige Leitlinien anzubieten. Wer mehr Unterstützung braucht, sollte sich von einem Futtermittelfachmann beraten lassen, der sich mit der Materie und dem Problem Insulinresistenz beim Pferd auskennt.

Für die Einschätzung des Ernährungszustandes eines Pferdes kann man eine Richtlinie der AAEP (Amerikanische Pferdetierärztevereinigung) verwenden, in Deutschland scheint sich ein BCS (Body Condition Score) durchzusetzen. Mit beiden Methoden lässt sich der Ernährungszustand eines Pferdes klassifizieren

Dabei werden Noten von 1 bis 9 bzw. 0 bis 5 beim BCS vergeben. Eine geringe Note bezeichnet einen unterernährten Zustand, der höchste Wert wird extrem fetten Pferden vergeben.

Der Ernährungszustand wird an sechs Schlüsselpunkten am Körpers beurteilt.

AAEP Gewichtsindex

 

A Fettansatz oder “Bemuskelung” am Mähnenkamm

B Fettpolster am Widerrist

C Wulstbildung im Lendenbereich

D Fettpolster am Schweifansatz

E Fühlbarkeit der Rippen

F Fettpolster hinter der Schulter

 

 

 

Einstufung nach AAEP

Grad 1: Unterernährung

Das Pferd ist ausgemergelt, Dornfortsätze, Rippen Schweifansatz und sämtliche Knochenvorsprünge sind überdeutlich zu erkennen. Keinerlei Fettansatz erkennbar.

Grad 2: Sehr mager

Die Dornfortsätze sind sichtbar. Rippen, Schweifansatz und Hüfthöcker sind deutlich sichtbar. Die Knochenkonturen von Widerrist, Hals und Schulter sind noch sichtbar voneinander abgesetzt.

Grad 3: Mager

Die Dornfortsätze sind noch immer prominent aber mittig mit etwas Fettgewebe abgedeckt. Geringe Mengen Fett bedecken die Rippen, die aber leicht erkennbar sind. Der Schweifansatz ist dünn aber einzelne Wirbel sind nicht zu unterscheiden. Die Hüfthöcker sind vorstehend aber eher angerundet. Die Konturen von Hals Widerrist und Schulter sind akzentuiert.

Grad 4: Eher mager

Die Dornfortsätze am Rücken sind nicht erkennbar aber die Muskulatur erreicht nicht das Niveau der Dornfortsätze (Rinne rechts und links der Wirbelsäule). Die Konturen der Rippen sind gerade noch mit dem Auge sichtbar. Am Schweifansatz findet man eine dünne Fettauflagerung. Hals, Widerrist und Schultern erscheinen nicht dünn.

Grad 5: Guter Ernährungszustand

Die Dornfortsätze der Wirbelsäule und die Rückenmuskulatur sind auf einer Höhe. Rippen kann man nicht sehen aber leicht ertasten. Die Fettpolster am Schweifansatz sind deutlich und etwas weich. Der Widerrist erscheint abgerundet und die Konturen von Hals, Schulter gehen fließend in einander über.

Grad 6: Eher zu gut ernährt

Andeutung einer Mittelrinne über den Dornfortsätzen des Rückens. Das Fettpolster am Schweifansatz ist deutlich zu fühlen, auf den Rippen fühlt man eine dünne Fettschicht. Die Gruben beidseits des Widerristes sind leicht mit Fett aufgefüllt und es finden sich Ansätze zu Fettpolstern am Mähnenkamm und hinter den Schulterblättern.

Grad 7:  Fett

Meist bildet sich eine deutliche Rinne über den Dornfortsätzen des Rückens. Die einzelnen Rippen können noch ertastet werden aber man fühlt eine deutliche Fettschicht. Das Fettpolster am Schweifansatz fühlt sich weich an. Fettansätze am Mähnenkamm, hinter den Schultern und am Widerrist sind optisch erkennbar.

Grad 8: Deutlich fett

Eine deutliche Rinne verläuft zwischen den verfetteten Muskelsträngen am Rücken. Die Zwischenräume zwischen den Rippen sind nur noch mit Mühe ertastbar. Fettpolster am Widerrist füllen die Gruben weitgehend auf und das Fettpolster am Schweifansatz fühlt sich sehr weich an. Am Mähnenkamm bildet sich ein Fettwulst, die Konturen der Schulter verschwimmen in der Fettauflagerung.

Grad 9: Extrem verfettet

Die Mittelrinne am Rücken ist sehr deutlich. Fettwülste bilden sich über den Rippen. Am Schweifansatz, in der Lendengegend, der Schulter, dem Widerrist und am Mähnenkamm bilden sich Fettwülste. Fett im Zwischenschenkelspalt und am Präputium tritt deutlich in Erscheinung.

Der Ernährungsgrad 5 ist erstrebenswert. Je nach Einsatz des Pferdes kann eine Note darüber oder darunter gesund und sinnvoll sein.

Einstufung nach BCS

 

 

Hals

Rücken/Rippen

Becken

0

sehr dünn

Knochenstruktur leicht zu fühlen, keine Muskeln

Dornfortsätze fühlbar, Rippen sichtbar

Hüfthöcker, Schweifansatz steht vor, Haut ist straff

1

dünn

Knochen fühlbar

Dornfortsätze fühlbar, Rippen einfach zu sehen

Kruppe eingefallen, Hüfthöcker fühlbar, Haut weich

2

mäßig

leichte Fettschicht über Knochen

Fettschicht über Dornfortsätzen, Rippen noch zu sehen

Fettschicht über Hüfthöcker, Kruppe gut ausgebildet

3

gut

starker Hals, fließender Übergang zur Schulter

Dornfortsätze, Rippen fühlbar

Becken von Fett bedeckt, runde Form

4

dick

leichter Kamm, Fettansatz am Hals

Rippen bedeckt, nur mit starkem Druck fühlbar, Rinne entlang Rückgrats

Hüfthöcker nicht fühlbar, Rinne bis zur Schweifwurzel

5

sehr fett

deutlicher Kamm sehr breit und kräftig, Speckschicht

Rippen nicht mehr fühlbar, tiefe Rinne, breiter Rücken

tiefe Rinne zur Schweifwurzel, Becken nicht fühlbar und flach

   

 

Beim BCS ist ein Score von 2 bis 3 anstrebenswert.

Nicht verwirren lassen sollte man sich durch einen “Heubauch”. Ein Heubauch ist lediglich durch eine große Raufutteraufnahme bedingt und hat mit dem Ernährungszustand wenig zu tun. Will man den Heubauch reduzieren kann man die Raufuttergabe auf die untere Bedarfsgrenze beschränken. Wird die Galopparbei intensiviert und damit die Bauchmuskulatur gestärkt, geht ein Heubauch ebenfalls zurück.

Hat man den Ernährungszustand ermittelt, sollte man das Körpergewicht des Pferdes bestimmen. Da eine Pferdewaage meist nicht zur Verfügung steht und wiederholt gemessen werden muss, bietet sich ein Gewichtsmaßband an. Mit solchen Maßbändern, mit denen der Körperumfang am Widerrist bestimmt wird, lässt sich das Körpergewicht ausreichend genau bestimmen. Die Maßbänder haben eine entsprechende Gewichtsskala aufgedruckt, mit der sich das Gewicht ablesen lässt. Die Wiederholung des “Wiegens” mit dem Maßband ist einfach und so lässt sich leicht ein Verlauf bestimmen und das “Abspecken” überwachen.

Zur wirklich exakten Bestimmung des Bedarfes braucht man eine Fütterungssoftware oder den entsprechenden Fachmann. Der Grundbedarf eines Rehepatienten lässt sich aber ohne großen Aufwand abschätzen. In den meisten Fällen reicht Heu und Stroh aus, um den Energie und Proteinbedarf eines ausgewachsenen Pferdes bzw. Ponys, das wenig oder gar nichts körperlich leistet, zu decken. Als Faustregel gilt, dass ein Pferd am Tag 2% bis 2,5% des eigenen Körpergewichtes zu Fressen braucht. Die Hälfte davon sollte Heu guter Qualität sein, der Rest Stroh. Das bedeutet für ein Pferd, das 500 Kg wiegt, eine Heuration von etwa 5 Kg am Tag. Um das Gewicht der Heuration besser einschätzen zu können, hat sich bewährt die Heuration in ein Heunetz zu stopfen und sich damit auf eine normale Personenwaage zu stellen. Wenn Sie Ihr eigenes Gewicht abziehen (ohne Heu auf die Waage stellen) können Sie die Heuration genau bestimmen.

Da die meisten betroffenen Pferde zu fett sind, müssen sie Gewicht abnehmen. Oberstes Gebot ist hierbei: Geduld haben! Bei Pferden mit Metabolischem Syndrom geht der Fettabbau nur sehr langsam. Auch bei reduziertem Angebot packt der Stoffwechsel weiter alle verfügbare Energie in das Fettgewebe.

Niemals plötzlich das Kraftfutter auf einen Schlag komplett absetzen, es sei denn der behandelnde Tierarzt rät Ihnen dazu. Bei entsprechender medizinischer Indikation (akuter Reheschub) wird in der Regel das Kraftfutter vollständig abgesetzt.

Bei Pferden, die keine akute Rehe haben aber zu fett sind, kann als Faustregel gelten: Binnen einer Woche Kraftfutter nicht mehr als 10% reduzieren. Nach einer Woche wird das Gewicht kontrolliert. Hat das Pferd nicht abgenommen, wird die Kraftfutterration um weitere 10 Prozent reduziert.

Grundlage der Futterration sind rohfaserreiche und kalorienarme Futtermittel. Damit fallen Getreide oder Kraftfuttermischungen (Pellets, Müsli,....) weitgehend weg. Bei den Kraftfuttermittel lässt sich die Eignung über den glykämischen Index beurteilen. Der glykämische Index gibt Aufschluss über den Gehalt nicht struktureller Kohlenhydrate (NSC) in Futtermitteln. Nicht strukturelle Kohlenhydrate sind die leicht verdaulichen Kohlenhydrate wie einfache Zucker, Stärke und Fruktan, welche für Pferde mit Insulinresistenz problematisch sind.

Ein Problem hierbei ist, dass Futtermittelhersteller den Wert für den glykämischen Index bisher (Stand 2006) nicht auf dem Deklarationszettel aufführen. Die Angaben auf diesen Zetteln sind in aller Regel für die Beurteilung des Futtermittels für unsere Zwecke vollkommen unbrauchbar. Man muss also beim Hersteller nachfragen. Der Hersteller kennt die Höhe des glykämischen Index seiner Futtermittel leider bisher oft selbst nicht.

Anforderung an Futterration

Rohfaserreich:

  • Raufutter: Heu, Stroh,...
    • Fermentierbare Kohlenhydrate
    • z.B. Zellulose
    • geringer glykämischer Index
  • Zuckerrübenschnitzel:
    • hoher Pektingehalt
    • wegen höherem Kaloriengehalt nur als Zusatz
    • unbedingt unmelassierte Form, da sonst viel Zucker

Kalorienarm:

  • Kein Getreide weil:
    • kalorienreich
    • hoher Stärkegehalt
    • hoher glykämischer Index

 

Daraus ergibt sich, was erlaubt und was verboten ist.

„Verboten“

  • Kraftfutter
  • Hafer, Gerste, Mais,..
  • Weizenkleie
  • Pelletiertes Kraftfutter
  • Müsli,…
  • Melasse
  • Fetthaltige Futtermittel
  • Luzerneheu

Mit Einschränkung bzw. strenger Kontrolle

  • Karotten, Äpfel
  • Weidegras

„Erlaubt“

  • Heu
  • Stroh
  • Vitamin/Mineralergänzung
    • ohne Zucker/Stärke!
    • Phospat ergänzen bei nennenwerter Zuckerrübenschnitzelverfütterung

Sofern nötig

  • Unmelassierte Zuckerrübenschnitzel
  • Spezialfutter mit geringem Energiegehalt bzw glykämischen Index

Die Basis der Ration ist demnach Heu und Stroh, wobei es Ponys gibt, für die selbst gutes Heu zu gut verwertbar ist. Heu für Pferd mit Insulinresistenz sollte weniger als 10% - 15% nicht strukturelle Kohlenhydrate (NSC) enthalten. Der NSC- Gehalt ist nicht an der Qualität des Futtermittels erkennbar!. Der NSC-Gehalt kann nur durch Laboranalyse beurteilt werden. Bei ausgewaschenem Heu und zum Zeitpunkt des Schnitts überständigen Gras kann auch ohne Labor von einem niedrigen NSC-Gehalt ausgegangen werden. Ist das Heu “zu gut” für ein Pferd bzw. Pony (NSC-Gehalt zu hoch), kann durch Einweichen in Wasser (im kalten Wasser mindestens eine Stunde) der Gehalt an nicht strukturellen Kohlenhydraten gesenkt werden. Durch das Wasser werden sie gelöst und aus dem Heu herausgewaschen. Als Faustregel für die Menge der Tagesration an Heu gilt bei Pferden mit Inslinresistenz ca. 1,0 – 1,5% des Körpergewichtes. Die tatsächliche Menge muss aber individuell ermittelt und angepasst werden.

Wenn Heu und Stroh nicht ausreichen, um den Energiebedarf zu decken, kann relativ sicher mit unmelassierten Rübenschnitzeln aufgebessert werden. Die Leistungsbereitschaft des Pferdes mit Insulinresistenz ist kein Gradmesser für den Bedarf! Diese Pferde sind häufig wegen ihrer Stoffwechslerkrankung “schlapp”. Entscheidend ist ob das Pferd zu- oder abnimmt.

Wenn unmelassierte Zuckerrübenschnitzel nicht ausreichen sollten, kann vor allem bei Pferden, die an Cushing erkrankt sind oder wirklich viel arbeiten, mit Öl und Fett angereicherten Futtermitteln gearbeitet werden. Diese Fett angereicherten Futtermittel haben bei Pferden mit Metabolischem Syndrom nichts zu suchen.

Bei Weidegang ist eine Fressbremse notwendig. Hierzu eigenen sich Weidemaulkörbe, mit denen die Futteraufnahme begrenzt werden kann. Die zeitliche Rationierung der täglichen Weidezeit funktioniert oft nicht ausreichend sicher. Das Parzellieren der Weide kann durch das Überweiden unvorteilhaft sein, da das überweidete Gras mehr Fruktan bildet.

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Abbildung eines bewährten Weidemaulkorbes

 

Nicht außer Acht lassen darf man die ausreichende Versorgung mit Mineralstoffen, Spurenelementen und Vitaminen. Diese Zusätze dürfen keine leicht verdaulichen Kohlenhydrate enthalten. Sobald Getreidebestandteile oder Melasse deklariert sind, sollte genau nachgefragt werden. Ich kenne Ponys, die auf entsprechende Mineralfutter einen Reheschub bekamen.

Ob die Zufütterung von Zimt oder speziellen Spurenelementen sinnvoll ist, ist derzeit unklar. Hier kursiert besonders im Internet alles mögliche. Fundierte Wirksamkeitsnachweise fehlen.

Wie Sie sehen, ist die Fütterung eines Rehe gefährdeten Pferdes nicht ganz einfach. Beim Vorliegen weiterer Grunderkrankungen wie z. B. Cushing kommen sie um eine kompetente Beratung nicht herum. Idealer weise holen Sie sich Beratung von einem Futtermitttelspezialisten, der sich mit der Problematik Insulinresistenz auskennt. Kann er mit dem Begriff nichts anfangen, wird er nicht nicht auf dem Stand der Dinge sein. Nach Möglichkeit solle er auch nicht von einem einzigen Hersteller abhängig sein.

Zum Abschluss noch eine Warnung zu den speziell für Rehepatienten angepriesenen Futtermitteln. Bei weitem nicht alle sind wirklich geeignet. Die Zusammensetzung sollte sehr kritisch geprüft werden. Ganz davon abgesehen, dass die meisten Rehepferde über Heu und Stroh hinaus - außer Vitamin/Mineralfutter - keine zusätzlichen Futtermittel brauchen.


Der Autor übernimmt ausdrücklich keine Haftung für aus diesen Seiten abgeleitete Maßnahmen, für angegebene Dosierungen, Nebenwirkungen oder Schäden in Folge der Anwendung von Präparaten oder Maßnahmen. Die Dosierung ist im Einzelfall zu prüfen. Die Präparate dürfen nur von Tierärzten angewandt werden. Die Zulassung der Präparate für das Pferd ist im Einzelfall zu prüfen. Nicht für das Pferd und für die jeweilige Indikation zugelassene Medikamente anzuwenden ist strafbar.


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