Metabolisches Syndrom

Verfasser der Artikel ist soweit nicht anders vermerkt Dr. C. A. Bingold, Pferdeklinik Großostheim

Das metabolische Syndrom ist eine Erkrankung die ursprünglich in der Humanmedizin beschrieben wurde. Dort betrachtet man sie inzwischen als Pandemie - also als eine Krankheit, die in der Bevölkerung sehr weit verbreitet ist. Das metabolische Syndrom ist die Erkrankung des Menschen, die für einen Großteil der Herzinfarkte mitverantwortlich ist.

Beim Pferd hat sich in den letzen Jahren herausgestellt, dass es eine sehr ähnliche Krankheit gibt. Das metabolische Syndrom des Pferdes führt jedoch nicht zum Herzinfarkt, sondern zur Hufrehe oder zumindest zur Anfälligkeit für Hufrehe.

In beiden Fällen handelt es sich um eine Erkrankung des Energie bzw. Zuckerstoffwechsels. Das dabei im Zentrum stehende „Organ“ ist spezielles Fettgewebe. Dieses Fettgewebe ist wider landläufiger Vorstellung kein passives Speichergewebe sondern eine sehr aktive Hormondrüse. Die vom Fettgewebe produzierten Hormone (vor allem Leptin und Adiponectin) sind verantwortlich für die jeweiligen Erkrankungen Herzinfarkt bzw. Hufrehe.

Gegenüberstellung Metabolisches Syndrom des Menschen und des Pferdes

 

Mensch

    • Übergewicht
    • Abnorme Fettspeicherung
    • Blutfette erhöht
    • HDL erniedrigt
    • Insulinresistenz
    • Blutzucker erhöht
    • Bluthochdruck
    • Gefäßerkrankung

Herzinfarkt   

     

 

Pferd

    • Übergewicht
    • Abnorme Fettspeicherung
    • -
    • -
    • Insulinresistenz
    • (Blutzucker erhöht)
    • -
    • Gefäßerkrankung ??

Hufrehe   

     

Wie man sieht ist ein Kernmerkmal das Übergewicht, das mit einer abnormen Fettspeicherung einhergeht. Beim Menschen sind dies die z.T. gewaltige Fettablagerung im Bauchraum (“Bierbauch”), beim Pferd sind es spezielle Depots am Nacken, an der Schulter und in der Kruppengegend sowie am Präputium.

Metabolisches_Syndrom_Fettdepots
Pferd mit den klassischen Fettdepots bei Metabolischem Syndrom

Das hintertückische beim Metabolischen Syndrom kann der zu Beginn nicht merkliche Krankheitsprozess sein. Die hormonelle Fehlsteuerung kann schon eine ganze Weile bestehen, bevor es zur sichtbaren Verfettung kommt. Bei der entsprechenden Veranlagung ist zu Beginn noch keine Verfettung sichtbar!

Umgekehrt kann aber eine dauerhafte Überernährung / Überfütterung die Entgleisung des Stoffwechsels begünstigen oder provozieren. Das metabolische Syndrom ist somit als Wohlstandserkrankung anzusehen.

Die Ursache der Verfettung liegt  in der Krankheit selbst begründet oder ist Folge der unkontrollierten übermäßigen Nahrungsaufnahme. Dabei spielt der “unstillbare” Hunger beim Metabolischen Syndrom eine zentrale Rolle. Grund für den unstillbaren Hunger ist ein Defekt im Gehirn. Dabei versagt die Steuerung des Appetits, wodurch die “Fressbremse”  ausgeschaltet wird. Dieser Mechanismus ist für Mensch und Pferd nachgewiesen.

Der zweite mindestens genauso wichtige Grund ist die mangelnde Bewegung bei Mensch und Pferd. Die allermeisten Pferde werden viel zu wenig bewegt. Eine Stunde Bewegung ist in der Regel viel zu wenig, besonders bei dem Nahrungsangebot, das zur Verfügung steht. Beim Büromenschen und Stubenhocker sieht es nicht anders aus. Nur durch ausreichenden Bewegungsreiz wird der Körper veranlasst Energie zu verbrennen und nicht in Depots einzulagern.

Mangelnde Bewegung und Überernährung sind die Hauptgründe für die Entstehung des Metabolischen Syndroms

Weitere Kennzeichen des Metabolischen Syndroms bei Mensch und Pferd sind:

  • Überfütterung in der Aufzucht bzw. Kindheit erhöht die Wahrscheinlichkeit einer späteren Erkrankung.
  • Es trifft vor allem “leichtfuttrige“ Pferde / Menschen.
  • Genügsame Pferderassen bzw. Völker trifft es stärker als verwöhnte.

Spezifisch für das Pferd sind folgende Punkte:

  • Die Erkrankung wird im Alter zwischen 8 Jahren bis 18 Jahren sichtbar
  • Betroffene Pferde zeigen eine mangelnde Leistungsfähigkeit
  • Trotz gutem Ernährungszustand ist die Bemuskelung unbefriedigend
  • Betroffen Pferde haben eine erhöhte Infektionsneigung
  • Bei Stuten treten Fruchtbarkeitsprobleme auf und sie neigen zur Geburtsrehe

I

Der Krankheitsmechanismus

Im Folgenden wir erklärt, was beim Metabolischen Syndrom passiert und was es mit der Insulinresistenz auf sich hat.

Dazu müssen wir uns betrachten, was im Körper geschieht, wenn energiereiche Nahrung aufgenommen wird. Unser Augenmerk richtet sich dabei auf den Blutzuckerspiegel und die Reaktion des Insulins.

Insulinresistenz1

Nach der Nahrungsaufnahme steigt der Blutzuckerspiegel an. Darauf reagiert die Bauchspeicheldrüse mit der Ausschüttung von Insulin. Das Insulin bewirkt, dass die Zellen der  Organe, die Energie benötigen, wie z.B. Muskulatur und Leber aber auch Speichergewebe wie das Fettgewebe, Zucker aus dem Blut aufnehmen. Dadurch sinkt der Blutzuckerspiegel und das System ist in Balance.

Bei Überernährung / Bewegungsmangel und nachfolgender Verfettung kommt es zur Insulinresistenz

.
Insulinresistenz2

Hormone aus den überladenen Fettdepots bewirken, dass Zellen der Organe die Zucker verbrauchen, auf Insulin nicht mehr so gut ansprechen. Dies führt einerseits dazu, dass Gewebe, wie Muskulatur und Leber, die Zucker verbrennen würden, weniger Energie bekommen. Dadurch sinkt der Verbrauch. Gleichzeitig bekommt das Fettgewebe quasi exklusiv jede Menge Zucker (nach Umwandlung zu Fett) zum Abspeichern. Andererseits bleibt der Blutzuckerspiegel dauerhaft erhöht, da wegen der mangelnden Wirkung des Insulins auf die Verbraucherorgane nicht genug Zucker aus dem Blut genommen werden kann. Wegen des erhöhten Blutzuckerspiegels bleibt auch Insulin erhöht, weil das Insulin ja eigentlich dafür sorgen soll, dass der Blutzuckerspiegel sinkt.

Somit ist der Zustand der Insulinresistenz  erreicht. Es beginnt ein Teufelskreislauf, da durch die Insulinresistenz die Verfettung (die Ursache der Insulinresistenz), weiter gefördert wird.

Noch schlimmer aber ist die Tatsache, dass ein zu hoher Zuckerspiegel von vielen Geweben nicht gut vertragen wird. Die erhöhte Zuckerkonzentration im Blut wird für die Zellen regelrecht toxisch und es kommt zu Schäden. Genaus schädlich ist für viele Gewebe ein dauerhaft erhöhter Insulinspiegel. Nach gegenwärtigem Stand der Erkenntnis sind beim Pferd die absoluten Blutzucker- und Insulinkonzentrationen eher nicht so hoch wie beim Menschen aber die Fehlfunktion des Insulinsystems an den Zellen verursacht die klinischen Probleme. Auch kann man experimentell mit steigenden Insulinspiegeln entsprechend unterschiedlich hohe Schweregrade von Hufrehe hervorrufen, was die Bedeutung des erhöhten Insulinspiegels beweist.

Ein dauerhaft erhöhter Blutzuckerspiegel ist gewebsschädlich

Ein dauerhaft erhöhter Insulinspiegel ist gewebsschädlich

In diesem Zusammenhang spricht man von Glukotoxizität. Es kommt zu Schäden an diversen Organen besonders aber an den Blutgefäßen. Beim Menschen steigt daher das Herzinfarkt Risiko. Der genaue Mechanismus, der beim Pferd zur Reheanfälligkeit führt, ist noch nicht eindeutig geklärt.  Man spekuliert, dass es auf Grund der gestörten Insulinsensitivität beim Metabolischen Syndrom des Pferdes  eher zu einer  Glukose Unterversorgung der Zellen der Huflederhaut kommt. Die Tatsache, dass das Metabolische Syndrom des Pferdes mit Insulinresistenz und Hufreheanfälligkeit einhergeht, ist unstrittig. Ob der Schaden nun an den Gefäßen oder direkt an den Zellen der Huflederhaut entsteht ist letztlich unwichtig, solange keine gezielten Therapien möglich sind. Eine gezielte Therapie wird es bis auf weiteres nicht geben, da die entsprechenden Medikamente noch nicht entwickelt sind.

Das folgende Schema verdeutlicht die Zusammenhänge zwischen Verfettung, Metabolischem Syndrom und Hufrehe.

Hufrehe Teufelskreis

Überernährung und Bewegungsmangel führen zur Bildung von krankhaften Fettdepots. Das Fettgewebe bewirkt über spezielle Hormone eine Insulinresistenz. Die Insulinresistenz fördert nun im Teufelskreis die weitere Verfettung. Im Gegensatz zum Menschen neigen Pferde mit Insulinresistenz zum Glück nicht dazu Diabetes (Erschöpfung des Insulinsystems) zu bekommen.

Wegen der Insulinresistenz kommt es zu einer gestörten Glukose Versorgung der Zellen. Dies wiederum verursacht eine schleichende Hufrehe. Aus der schleichenden Rehe kann sich im Lauf der Zeit eine klinisch sichtbare Rehe entwickeln.

Durch die Vorschädigung und Sensibilisierung können jetzt aber auch Auslösefaktoren, die bei einem gesunden Pferd keine Rehe verursachen würden (Futterumstellung, geringe Mengen Fruktan, Kolik,..), einen akuten Reheschub auslösen.

Ab diesem Punkt entsteht ein neuer Teufelskreis. Der Schmerz des Reheschubes verursacht Stress. In Folge des Stresses wird vermehrt das Stresshormon Kortisol (körpereigenes Kortison) freigesetzt. Eine Nebenwirkung des Kortisols ist es, die Insulinresistenz zu fördern, womit der Problemkreis weiter angeheizt wird.

Hufrehe Teufelskreis 2

Dieses Schema zeigt vereinfacht den Teufelskreis bei einer Hufrehe, bei der der Schmerz nicht unter Kontrolle gebracht werden kann. Hier existiert ein erhebliches therapeutisches Dilemma. Denn wenn der Versuch unternommen wird, die Schmerzen nur durch Schmerzmittel zu beseitigen, belastet das Pferd seinen defekten Hufbeinträger so stark, dass dessen Zerstörung voranschreitet. Wenn es nicht gelingt durch geeignete Stützmaßnahmen (orthopädische Polsterungen, Spezialbeschläge,...) das Absinken und Rotieren aufzufangen, nimmt der Reheschub trotz aller medikamenteller Anstrengungen einen katastrophalen Verlauf.

Die eingesetzten Schmerzmittel (Nicht steroidale Antiphlogistika wie Equipalazone, NSAID) sind auch unverzichtbar notwendig, um die biochemischen Prozesse in der Huflederhaut zu stoppen, die den Hufbeinträger weiter aufweichen.

Aus dem Schema wird auch deutlich, warum Kortison bei einer Hufrehe nicht eingesetzt werden darf. Außerdem erklärt sich weshalb manche Pferde bei Kortisongabe Hufrehe entwickeln. Bei gesunden Pferden ist es bei vernünftigem Kortisoneinsatz auch mit sehr hohen Dosen fast unmöglich eine Hufrehe auszulösen. Pferde mit sichtbarem oder eben auch noch nicht äußerlich sichtbarerer Neigung zum Metabolischen Syndrom sind gefährdet.

Nicht ganz unbedeutend ist, dass das Phänomen Insulinresistenz ein Stoffwechselzustand ist, der auch ganz “normal” auftreten kann. Der Körper setzt Insulinresistenz in besonderen Ausnahmesituationen ganz gezielt aber vorübergehend ein. Solche Situationen treten z. B. während der Trächtigkeit und bei Infektionen auf. Es ist daher nicht verwunderlich, dass Stuten zum Ende der Trächtigkeit bzw. nachgeburtlich wesentlich rehegefährdeter sind.

 

Diagnose

Die  Diagnostik des Metabolischen Syndroms beim Pferd ist wesentlich schwieriger als beim Menschen. Allein schon die Insulinbestimmung ist beim Pferd nicht so einfach wie beim Menschen, da die indirekten Tests aus der Humanmedizin beim Pferd nicht funktionieren. Die Blutprobe muss  zentrifugiert und gekühlt bzw. gefroren  ins Labor versandt werden, was gegenüber normalen Blutproben mit einem erhöhten logistischen Aufwand verbunden ist, wenn der Test im Stall durchgeführt werden soll.

 

Timing der Probenentnahme (Nüchternwerte): 

Die einmalige ungezielte Bestimmung von Glukose oder Insulinspiegeln im Blut ist beim Pferd weitgehend wertlos, da die Werte zu stark schwanken und häufig im Normbereich liegen obwohl das System gestört ist. Nur Nüchternwerte sind aussagefähig und auch dann nur wenn sie erheblich erhöht sind.

Voraussetzung für zuverlässige Werte sind standardisierte Untersuchungsbedingungen und ein nüchterner Zustand. Ideal wäre über Nacht Fasten für 8-10 Stunden bei einer Abendmahlzeit von lediglich einer Lage Heu mit geringem leicht verdaulichem Kohlehydratanteil. Wenn Fasten Stress verursacht – was bei den meisten EMS Patienten der Fall ist - dann in der Nacht  vor und über den Messzeitraum gewaschenes Heu in geringer Menge anbieten. Dies ist derzeit das verlässlichste Fastenverfahren für das Pferd.  Definitiv darf kein Kraftfutter (alles was über die Futterkrippe verfüttert wird) für mindestens 12 Stunden vor dem Test verfüttert werden. Ebenso dürfen die Pferde in der Nacht vor dem Test  nicht auf die Weide

Die Blutabnahme erfolgt morgens zwischen 8:00 und 10:00. Bestimmt werden  Insulin  und Glukose, (evtl. zusätzlich ACTH, Schilddrüsenhormone und Triglyceride).

 

Schmerz und Stress:

Gravierende Störfaktoren stellen Schmerz und Stress dar. Schmerz und Stress können eine „natürliche“ Insulinresistenz verursachen, die nicht Stoffwechsel bedingt ist. Bei Pferden mit akutem Reheschub bzw. Schmerz kann auch bei nachgewiesener Insulinresistenz nicht unbedingt auf EMS geschlossen werden. Schon das Legen der Braunüle kann bei entsprechend empfindlichen Pferden eine temporäre Insulinresistenz bewirken. Stress, Unruhe und Aufregung müssen vor und während einer Blutentnahme oder  im Verlauf eines Tests unterbleiben um repräsentative Ergebnisse zu erhalten. Gerade die Glukose Werte können  sehr schnell deutlich ansteigen (binnen Minuten). Im Verlauf einer Hufrehe sind  Messwerte in einer schmerzhaften Phase nicht aussagefähig.

 

Glukose

Beim Pferd ist die Insulinresistenz in den meisten Fällen „kompensiert“. Das bedeutet, dass die Bauchspeicheldrüse in der Lage ist. so viel Insulin zur Verfügung zu stellen, dass der Blutzuckerspiegel weitgehend im Normbereich bleibt während der Insulinspiegel  erhöht ist.

Bei gesunden Pferden liegt der Nüchtern Glukose Normwert bei 55–95 mg/dl. Bei  EMS ist Glukose wegen der Kompensation meist nur geringgradig erhöht mit Werten  bei 80-115 mg/dl oder im Normbereich. Je nach Grad der Kompensation steigen die Werte über den Grenzwert an.

Gehen die Glukose Werte wiederholt in den Bereich >150 mg/dl liegt meist ein Diabetes Typ 2 vor, die Folgen der Insulinresistenz können nicht mehr kompensiert werden.

Glukose Werte alleine eignen sich daher beim Pferd nicht zur Diagnose von EMS.

 

Insulin

Die alleinige Bestimmung des Nüchtern-Insulinwertes kann zum  Screening genutzt werden. Bei einem sehr hohen Nüchtern-Insulinwert kann man sich bei entsprechender sonstiger Symptomatik  weitere aufwendige Tests sparen, zumindest solle aber auch der nüchtern Glukose Wert bestimmt werden. Ab nüchtern Insulinwerten über 23 µU/ml spricht man von Hyperinsulinämie, was zumindest krankheitsverdächtig ist.

Die alleinige Bestimung des Nüchtern-Insulinwertes als “Test” ist jedoch gerade bei Pferden mit geringen Symptomen nicht sensitiv genug. Außerdem scheinen die Insulinwerte jahreszeitlichen Schwankungen zu unterliegen (im Frühjahr höher als im Herbst)

Hufrehe Pferde mit Werten über 180µU/ml haben eine sehr schlechte Prognose.

Blutproben für die Insulinbestimmung müssen maximal 3 Stunden nach Blutentnahme abzentrifugiert und hämolysefrei abpipettiert werden.

 

Funktionstests

Wenn Insulinwerte fraglich erhöht sind und Glukose Werte im normalen oder fraglich normalen Bereich liegen, sollte ein spezifischer Funktionstest auf die Funktionsfähigkeit des Insulinsystems durchgeführt werden.

Im Lauf der letzten Jahre wurden verschiedene Testverfahren zur Diagnose von EMS entwickelt und zum Teil inzwischen auch wieder verworfen.

Ein nicht mehr üblicher Test  ist der einfache Glukose Toleranz Test. Bei diesem Test muss das Pferd eine bestimmte Anzahl von Stunden  gehungert haben. Dann werden Ausgangswerte von Glukose und Insulin im Blut bestimmt und eine definierte energiereiche Kraftfutterration verabreicht. In den folgenden Stunden werden dann Glukose und Insulinwerte bestimmt und die Reaktion des Organismus auf den Blutzuckeranstieg verfolgt. Dieser Test hat sich als zu ungenau erwiesen.

 

OST

Eine Abwandlung des einfachen Glukose Toleranz Testes ist der OST (Oral Sugar Test). Er funktioniert grundsätzlich genauso wie der einfache Glukose Toleranz Test, nur wird an Statt des Kraftfutters eine definierte Menge eines bestimmten Zuckersirups (0,15ml/kg Karo Light Corn Syrup) mit einer Spritze über das Maul verabreicht. (Der Vorteil von Karo Light Corn Syrup ist die geringe zu verabreichende Menge - alternativ können Sie versuchen einem 500Kg Pferd  ein halbes Kilo Dextrosepulver (1g/Kg Körpergewicht) zu verabreichen, wobei dann aber andere Referenzwerte gelten)

Nach dem derzeitigen Kenntnisstand ist dieser Test relativ zuverlässig und  im Heimatstall des Pferdes durchführbar. Auch hier muss das Pferd über Nacht relativ nüchtern bleiben bzw. bekommt eine reduzierte Menge Kohlenhydrat armes Heu (eine Lage Heu). Am Morgen wird 60 und  90 Minuten nach Verabreichung des Zuckersirups  vom Tierarzt eine Blutprobe zur Bestimmung von Insulin und Glukose genommen.

Bei gesunden Pferden liegt der Insulinspiegel nach Verabreichung des Zuckersirups unter 45 µU/ml. Eine Hyperinsulinämie liegt vor, wenn die Werte über 60 µU/ml liegen und spricht für das Vorliegen von  EMS bzw. einem gestörten Insulinsystem. Werte zwischen 45 und 60 µU/ml sind unklar und sollten durch Wiederholung des Tests oder einen CGIT überprüft werden.

Hinsichtlich Glukose sprechen Werte über 125mg/dl für eine Fehlfunktion des Insulinsystems.

Der OST ist relativ wenig aufwendig, diagnostisch aussagekräftig und wird daher derzeit als Standardtest von den Wissenschaftlern empfohlen.

CGIT

Wesentlich aufwändiger ist der kombinierte Glukose Insulin Test (CGIT  = Combined Glucose-Insulin Test) .

Der CGIT hat eine hohe Empfindlichkeit hinsichtlich der  Insulinsensitivität.  Eine Insulinresistenz ist nachweisbar auch wenn das nüchtern Insulin im Normbereich liegt, was bei vielen Pferden der Fall ist, die noch nicht so schwer erkrankt sind. 

Auch bei diesem Test müssen die Pferde vor der Durchführung nicht hungern,  dürfen aber in der  Nacht vor dem Test kein Kraftfutter bekommen und sollen nicht auf die Weide, können aber Heu fressen. Heu kann auch während des Tests weiter zur Verfügung gestellt werden. Ein Nachteil ist, dass der CGIT relativ aufwändig und eigentlich nur in der Klink durchführbar ist.

Vor dem eigentlichen Test  werden Ausgangswerte bestimmt, aber nur von Glukose, was das Verfahren hinsichtlich Probenhandling wesentlich vereinfacht, weil Glukose mit den üblichen Blutzuckermessgeräten vor Ort bestimmt werden kann. Dann wird eine definierte Menge einer konzentrierten Glukoselösung infundiert und direkt anschließend intravenös Insulin verabreicht. Zur Beurteilung der Funktion des Insulinsystems wird über gut 2 Stunden der Verlauf des Blutzuckerspiegels verfolgt.

Beim CGIT geht man davon aus, dass eine Insulinresistenz dann vorliegt, wenn der Blutglukosespiegel 45 Minuten  oder länger nach der Glukose/Insulingabe über dem Ausgangswert bleibt. Bleibt der Blutzucker länger als 45 Minuten über dem Ausgangswert, ist das ein Hinweis für Insulin-Resistenz. Sinkt der Glukosespiegel wieder rasch auf oder unter den Ausgangswert, funktioniert der Insulinrezeptor und es gibt keinen Hinweis auf Insulinresistenz.

Beispiel für Referenzwerte und Messwerte eines EMS Patienten bei einem CGIT

Durchführung:

Über Nacht vor dem Test kein Kraftfutter, keine Weide sondern nur kohlenhydratarmes Heu. Heu kann während dem Test weiter zur Verfügung gestellt werden.

    1.    Basalblutprobe für Blutglukosewert

    2.    Infusion von 150 mg/kg KGW einer 40%igen Glukoselösung i.v.

    3.    Direkt anschließend: 0,10 IE/kg KGW Rapid Insulin i.v

    4.    Blutproben nach: 1/5/15/25/35/45/60/75/90/105/120/135/150 Minuten

Bei gesunden Werten besteht nach der Insulingabe ein kleines Risiko der Unterzuckerung. Bei entsprechenden Anzeichen lässt sich der Blutzuckerspiegel durch eine intravenöse Glukosegabe aber schnell und problemlos wieder anheben. In solch einem Fall kann man den Test an dieser Stelle abbrechen (die hohe Insulinsensitivität ist ja mit der Unterzuckerung bewiesen) .

Der Test kann grundsätzlich nach 60 min abgebrochen werden auch wenn die Werte noch über dem Basalwert liegen, der Test also eindeutig positiv ist. Für zukünftige Vergleiche einer Verbesserung oder Verschlechterung ist es sinnvoll die 150 Minuten durchzuziehen.

Wenn OST oder CGIT  sorgfältig durchgeführt werden, eignen sie sich auch zur Therapie-  und Verlaufskontrolle.

Grundsätzlich sollte man sich auch bei guten Werte der Testverfahren nicht in Sicherheit wiegen. Bei einem Pferd, das äußerliche Anzeichen eines metabolischen Syndroms zeigt, ist es aus praktischer Sicht oft gar nicht nicht so wichtig wie der Labortest ausfällt. Das Pferd ist ja auffällig, weil es zu fett ist, damit die Rehegefahr zunimmt und als Therapie zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur Abnehmen und Arbeiten in Frage kommt. 

 

Therapie

Wie im folgenden erläutert gibt es derzeit keine anerkannte medikamentelle Therapie gegen das Metabolische Syndrom des Pferdes.

Die Therapie der Insulinresistenz als solcher ist beim Pferd äußerst problematisch. Beim Menschen versucht man durch verschiedene Medikamente in das Krankheitsgeschehen einzugreifen. Hier ist man u. A. soweit, dass man versucht an der Genregulierung einzugreifen (Peroxisomen-Proliferator-Aktivator-Rezeptor Gamma Aktivatoren), um so die Situation grundlegend zu verbessern. Für das Pferd stehen diese Medikamente nicht zur Verfügung und sind auch nicht erprobt. Ein wünschenswerter Ansatz wäre ein Medikament, das die Glukoseaufnahme in die Zellen der Huflederhaut steigert.

Das am häufigsten eingesetzte Medikament ist Metformin. Von der Wirkungsweise her ist die  Gabe von Metformin bei Insulinresistenz  sinnvoll, da durch Metformin die Insulinsensitivität gesteigert wird. Beim Menschen hat sich diese Therapie über lange Zeit bewährt. Für Metformin gibt es Hinweise, dass es auch beim Pferd die Insulinsensitivität erhöht.

Leider wird der Wirkstoff beim Pferd aber sehr schlecht resorbiert und es gibt nach wie vor keine verlässlichen Dosierungsempfehlungen. Eine Metformingabe sollte 30 bis 60 Minuten vor der Fütterung erfolgen.

Von manchen Autoren wird dennoch ab einem Insulinwert von über 100µU/ml zu einer Therapie mit Metformin geraten. Die Dosierung beginnt mit 15mg/kg 2x am Tag. Aber selbst bei 30mg/kg tritt beim Pferd kaum ein therapeutischer Effekt auf. Bei 30mg/kg 2-3x am Tag scheint eher eine nachweisbare Wirkung einzutreten, weshalb dies die derzeit empfohlene Dosis ist. Vermutlich müsste man es aber bei vielen Pferden noch wesentlich höher dosieren, kommt dann aber dann in toxische Bereiche.

Pferde mit EMS haben oft reaktiv niedrige Schilddrüsenhormonwerte. Die Schilddrüsen Werte sind in diesem Fall nicht wegen einer primären Erkrankung der Schilddrüse verändert, sondern als Reaktion auf das metabolische Syndrom. Eine Behandlung der Schilddrüse ändert daher auch nichts an der Grunderkrankung. Durch Gabe von Schilddrüsenhormon kann man jedoch die Gewichtsabnahme beschleunigen. Das entsprechende Präparat ist in Deutschland leider nicht erhältlich.

Auch für Trilostan, das in den Kortisonhaushalt eingreift und das primär bei ECS Patienten sinnvoll wäre, gibt es Hinweise für eine Verbesserung der Insulinsensitivität. Die Daten reichen jedoch nicht für eine abgesicherte klinische Behandlung aus.

Die Zufütterung von Chrom (25 Mikrogramm/kg Körpergewicht) scheint die Insulinempfindlichkeit der Zellen etwas zu steigern. Auch die Supplementierung von Vanadium und Mangan wird diskutiert, da betroffene Pferde  z. T. einen Mangel der Spurenelemente Chrom, Mangan und Vanadium haben. Welche Mengen langfristig sinnvoll und verträglich sind ist weitgehend ungeklärt. Auch die Gabe von Antioxidantien wie Vitamin C und E ist theoretisch sinnvoll.

Leider hat kein getestetes Supplement  eine signifikante nachweisbare Wirkung auf die Hufreheproblematik, auch wenn sich gewisse Parameter beeinflussen lassen, was dies für Cromhefe am ehesten zutrifft. Leider ist Cromhefe nicht so einfach erhältlich.

Bewegung und Gewichtsabnahme als Therapie

Das einzige „Supplement“, das wirklich hilft, ist Gewichtsreduktion und Arbeit. Keiner der  medikamentellen Ansätze oder Fütterungszusätze ändert etwas an den Grundlagen der Erkrankung: Überernährung und Bewegungsmangel.

Sowohl bei Mensch wie bei Pferd gilt: Will man die Ursache für das Metabolische Syndrom bekämpfen, muss die Nährstoffzufuhr dem Bedarf angepasst und die körperliche Bewegung intensiviert werden.

Ohne diese beiden Management Maßnahmen ist keine Besserung zu erreichen. Die schädliche Fettdepots müssen abgebaut werden, um deren Hormonausschüttung umzuprogrammieren.  Dies ist nur durch aktiven Energieverbrauch der Muskulatur und Diät möglich. Solange die Muskulatur nicht tätig ist und Energie verbrennt und die Nährstoffzufuhr angepasst wird, kann es keine Umkehr der Insulinunempfindlichkeit geben. Nur auf diesem Weg können die Fettzellen veranlasst werden weniger Leptin und mehr Adiponektin zu produzieren. Adiponektin ist entzündungshemmend und erhöht die Insulinempfindlichkeit, hohe Leptinspiegel sind schädlich. Der Organismus therapiert sich auf diese Weise mit seinen eigenen Mitteln.

Ohne Gewichtsabnahme und gesteigerte körperliche Aktivität kann das Metabolische Syndrom nicht bekämpft und eine Insulinresistenz nicht umgekehrt werden!

Zur Gewichtsabnahme werden die Pferde auf Diät gesetzt und ein speziell auf die Diätsituation abgestimmtes Mineral-/Vitamin Supplement zugefüttert (z.B.Barn Bag®,  Life Data). Sofern nichts dagegen spricht sollte die Gewichtsreduzierung nicht zu drastisch erfolgen. Bei Verzicht auf Kraftfutter wird Heu in abgewogener Menge gefüttert. Man beginnt mit einer Menge entsprechend 1,5% des Körpergewicht des Pferdes/Ponys (7.5 kg  pro 500 kg Pferd am Tag). Das Gewicht des Pferdes wird jetzt regelmäßig mit einem Gewichtsmaßband kontrolliert. Wenn nach 4 Wochen keine Gewichtsabnahme erfolgt ist wird die Heuration auf 1% des Körpergewichtes reduziert (5 kg pro 500 kg Pferd am Tag). Eine Gewichtsabnahme erfolgt meist nur bei Verfütterung von Heu mit relativ wenig Nährstoff bzw. Kohlenhydratgehalt (weniger als 10% NSC). Eventuell muss das Heu mindestens 1 Stunde eingeweicht werden, um die löslichen Kohlenhydrate auszuwaschen.

Verzicht auf Kraftfutter bedeutet  Verzicht auf alles was über die Krippe verfüttert wird, selbst wenn auf dem Sack steht, dass es für Rehepferde oder EMS gut sei, abgesehen vom Mineral-/Vitamin Supplement. Ebenfalls verboten ist Weidegang, selbst wenn oder gerade dann, wenn wenig auf der Weide wächst. Alternativ kann ein Fressmaulkorb bei Weidegang eingesetzt werden. All dies fällt vielen Pferdebesitzern sehr schwer aber die Pferde werden  keinen besseren Gesundheitszustand erreichen, wenn man sich nicht strikt an diese Maßgaben hält.

Die Diät wird solange durchgehalten, bis der angestrebte Ernährungszustand erreicht ist.

Der zweite Hebel zum Abnehmen besteht in körperlicher Belastung. Auch hier entsteht ein Dilemma. Ist die Hufrehe erst einmal da, ist die Belastungsmöglichkeit des Pferdes nicht gegeben oder zumindest stark eingeschränkt. Hier hat es der Mensch einfacher. Wer nach seinem Herzinfarkt Ausdauersport betreibt, senkt das Risiko für einen weiteren Infarkt ganz erheblich. Wenn Laufbelastung beim Pferd nicht möglich ist, kann durch Schwimmen in entsprechenden Einrichtungen ein hohes Trainingspensum realisiert werden ohne die Hufe zu belasten.

Wie schwierig es ist bei einem fetten Pferd oder EMS Patienten eine Gewichtsreduzierung zu erreichen, macht deutlich, wie wichtig es ist, durch korrekte Fütterung oder kontrolliertem Futterentzug (Fressmaulkörbe auf der Weide,...) präventiv tätig zu sein. Hat sich das Metabolische Syndrom erst einmal etabliert und sind Schäden des Hufbeinträgers entstanden sind die Möglichkeiten  begrenzt.

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Der Autor übernimmt ausdrücklich keine Haftung für aus diesen Seiten abgeleitete Maßnahmen, für angegebene Dosierungen, Nebenwirkungen oder Schäden in Folge der Anwendung von Präparaten oder Maßnahmen. Die Dosierung ist im Einzelfall zu prüfen. Die Präparate dürfen nur von Tierärzten angewandt werden. Die Zulassung der Präparate für das Pferd ist im Einzelfall zu prüfen. Nicht für das Pferd und für die jeweilige Indikation zugelassene Medikamente anzuwenden ist strafbar.


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  Metabolisches Syndrom     Cushing - ECS  - PPID 

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