Neurologie

Verfasser der Artikel ist soweit nicht anders vermerkt Dr. C. A. Bingold, Pferdeklinik Großostheim

Neurologische Untersuchung des Bewegungsapparates

    Neurologische Erkrankungen lassen sich beim Pferd auf Grund der Symptomatik meist einer bestimmten anatomischen Struktur zuordnen.

    Sofern die Anatomie und die ihr zugeordnete Funktion bekannt ist, läßt sich an Hand des Funktionsausfalls der Ort der Erkrankung ermitteln.

    Unabhängig von der Ursache sind die Symptome bei der Erkrankung einer bestimmten anatomischen Region identisch.

    Die Ursache der Erkrankung muß dann durch weitere Diagnostik ermittelt werden, wobei hier der Vorbericht eine große Rolle spielt.

    Da nicht immer von vornherein klar ist, ob es sich um primäre oder sekundäre neurologische Erscheinungen handelt, muß die Untersuchung auch andere Organsysteme einschließen.

    Beispiele Erkrankungen mit sekundärer neurologischer Symptomatik:

      • Hepatoencephalopathie
      • Nierenversagen
      • Hyperlipämie

        

  Untersuchung der Rückenmarksfunktion

      1    Ausmaß der Hautsensibilität an Kopf, Hals, Rupf und Gliedmaßen
      2    Anzeichen von Muskelatrophie an Hals, Rumpf, Gliedmaßen
      3    Manipulation des Halses: Nach lateral, ventral, dorsal, sowie strecken
            und stauchen
      4    Bewegung auf festem ebenen Grund und auf einer Steigung sofern vorhanden
      5    Schritt und Trab bei unterschiedlicher Körperhaltung des Halses - normal,
            ausgebunden, zur Seite ausgebunden
      6    Enges Zirkeln an der Hand und abrupte Richtungswechsel
      7    Überprüfung der Balance: Im Stand der Ruhe oder im Schritt Pferd am Schweif
            zur Seite ziehen bzw. an der Schulter zur Seite stoßen
      8    An der Longe Übergänge vom Galopp zum Trab und vom Trab zum Schritt
      9    Fähigkeit zum Rückwärtsrichten ohne und mit verbundenen Augen

             10    Reaktion auf überkreuz stellen der Vorder- und Hintergliedmaßen
            11    Fähigkeit über stangen oder Hindernisse zu treten
            12    Muskeltonus von Schweif und Anus
            13    Kronreflex und Reaktion auf Druck auf Interosseus

         

    Neurologische Symptome:

    •   Ataxie
      • => Proprioceptives Problem

        • Vermehrtes Schwingen des Rumpfes
        • Verlängerte Hangbeinphase der Hintergliedmaße
        • Unsaubere, unkontrollierte Fußung
        • Abduktion der Gliedmaße in der Vorführphase
        • Kreuzen der Gliedmaßen unter dem Körper
        • Auf die anderen Gliedmaßen treten
        • Das Anhaken der Patella resultiert häufig aus einer milden Ataxie
        •  

    •  Schwäche / Parese
      • => Motorische Fasern

        • Einknicken
        • Stolpern
        • Schleifen der Gliedmaßen
        •  

    •  Spastik
      • Steifer, staksiger Gang ohne Gelenksflexion ("Zinnsoldatengang")
      •  

    •  Hypermetrie
      • Übermäßige Gelengsflexion
      • Weit ausschweifende Flugbahn der Gliedmaße
      •  

    •  Kombinationen
      • Bis hin zum Festliegen
      • Von schmerzhaften Gelenks- oder Weichteilproblemen differenzieren
      •  

    Lokalisation neurologischer Erkrankungen:

 

  • Großhirn - motorische und bewußte proprioceptive Impulse von integrativen Zentren des Gehirns
    • Symptome: Immer auch mit zentralnervöser Symptomatik (Zirkeln, Bewußtseinsstörungen bis hin zum Koma, Sehstörungen, Krämpfe,...), alle 4 Gliedmaßen betroffen, ggr. Parese, Kopfnerven mitbetroffen
       

        Metabolische Störung

        • Hypo- und Hyperglykämie
        • Renale Encephalopathie
        • Hepatische Encephalopathie
        •  

        Elektrolytverschiebung

        • Hyper- und Hypokaliämie
        • Hypokalzämie
        • Hypomagnesämie

        Trauma

        • Schädelfrakturen

        Infektion

        • EHV1
        • Tollwut
        • Borna

        Vergiftung

        • Organophosphate
        • Blei
        • Arsen
        • Strychnin
        • Pyrrolizidin (Senecio)

        Tumor

         

  • Kleinhirn - motorische und unbewußte proprioceptive Impulse des Kleinhirns
  •  

      Symptome: Ataxie, symmetrische Spastik ohne Schwäche; ruckartige, ungelenke Bewegungen, muskuläre Hypertonie, Intentionstremor, Überreaktionen auf Stimuli, gestörte Vermeidungsreaktionen, breitbeiniger Stand
       

        Traumatisch

        • Frakturen des Os basisphenoidale, Os occipitale

        Mißbildungen

        • Abiotrophie des Cerebellum
        • Mißbildung des Atlantooccipitalgelenkes

        Wanderlarven

       

  • Stammhirn - motorische und unbewußte proprioceptive Impulse des Stammhirns

     

      Symptome: Spastik und Ataxie aller 4 Gliedmaßen, Tetraparese, Ptosis, hängende Ohren, Kopfschiefhaltung, Manegenbewegung, Drängen zur betroffenen Seite, spontaner horizontaler oder kreisender Nystagmus, reduzierte Wahrnehmung

        Traumatisch

        • Frakturen des Os basisphenoidale, Os occipitale

        Infektiös

        • EHV1
        • Tollwut
        • Borna
        • Parasitenlarven, EPM (equine protozoal myelitis) - Sarcocystis neurona

        Tumoren
         

  • Zentrale Neuronopathie
  •  

      Symptome: Atrophie der Extensoren bes. der Vordergliedmaße. Muskeltremor des M. Triceps, Schwierigkeiten zu stehen, Ataxie, im Trab weniger deutlich,, Körperhaltung ähnlich der Hufrehe

        Equine motoneuron disease

       

  • Wirbelsäule - motorische und unbewußte proprioceptive Impulse im Rückenmark
  •  

      Symptomatik: Ataxie, Spastik, Parese an allen 4 Gliedmaßen, wobei die Hintergliedmaßen weit häufiger und schwerer betroffen sind; Stolpern, Streichen/Greifen, Zehenschleifen.

        Traumatisch

        • OCD, cervical stenotic myelopathy (CSM), cervical vertebral myelopathy (CVM), Wobbler Syndrom Cave: bis zu 30% aller Jährlinge zeigen röntgenologische Veränderungen aber keine Symptome
        • Wirbelfrakturen
        • Synovialzysten
        • Epiphysitis (Epiphysenschluß mit 4-5 Jahren)

        Iatrogen

        • Spritzabszeß

        Mißbildungen

        • Atlantooccipitalgelenk (Araber)

        Infektionen

        • Tetanus
        • EHV1
        • Wanderlarven
        • EPM -equine protozoal myelitis

        Nichtinfektiös

        • Degenerative Myelopathie
        • Polyneuritis Equi
  • Peripheres Nervensystem - motorische Impulse an den ventralen Wurzeln und den peripheren Nerven - sensorische Impulse von peripheren Endorganen in der Muskulatur, den Sehnen, Bändern und Gelenken
  •  

      Symptomatik: Deutliche Schwäche, Hyporeflexie, muskuläre Hypotonie, Muskelatrophie, verminderte Schmerzreaktion (lower motor neuron)

        Traumatisch

        • N. suprascapularis
        • N. radialis
        • N. femoralis
        • Plexus brachialis
        • N. ischiadicus
        • N. glutaeus cranialis

        Infektiös

        • Botulismus
        • Tetanus

        Nicht infektiös

        • Polyneuritis Equi
        • Myotonie
        • Hahnentritt
        • Shivering

    Bei Quetschungen des Rückenmarkes erfolgt Verlust von Fasern in folgender Reihenfolge

      1    große proprioceptive Fasern
      2    intermediäre motorische Fasern
      3    feine sensorische Fasern

     

  • Diffuse zentralnervöse Erkrankungen
  •  

      Symptomatik: Zentralnervöse Symptomatik mit Parese, Ataxie, Paraplegie, muskuläre Atrophie in einzelnen Gliedmaßen

      Immer auch überprüfen, ob zentralnervöse Symptomatik vorliegt!
       

      • Polyneuritis equi (Neuritis caudae equinae)

          progressive symmetrische Parese und Analgesie von Schweif, Anus, Perineum und      Blase, gelegentlich mit Kopfnervenbeteiligung, progressive Muskelatrophie

         

      • EHV1
        • meist dramatischer Verlauf mit gleichen aber stärkeren Symptomen

         

      • Wanderlarven, EPM
        • progressiv asymmetrisch



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