Diagnostische Injektionen

Verfasser der Artikel ist soweit nicht anders vermerkt Dr. C. A. Bingold, Pferdeklinik Großostheim

Anmerkung: Das Skript ist inzwischen fast 20 Jahre alt und daher nicht mehr in allen Punkten auf dem aktuellen Stand der Tiermedizin. Auf der CD “Hufrollensyndrom” sind einige auch in diesem Skript enthaltene Abschnitte auf den neuesten Stand gebracht. Die CD ist inzwischen vollständig und kostenlos unter der Adresse www.hufrollensyndrom.de veröffentlicht. Im Abschnitt Diagnostik wird vor allem auf die Anästhesien und modernen Untersuchungsverfahren an der distalen Zehe eingegangen. Es empfiehlt sich also auch dort nachzulesen.

 

Diagnostische Injektionen

Inhaltsverzeichnis dieser Seite
Physiologie des Schmerzes
Wirkungsmechanismus von Lokalanästhetika
Leitungsanästhesien
Ringblock
Infiltrationsanästhesie
Intrasynoviale Anästhesie
Probleme
Allgemeine Methodik
    Lokalanästhetika
Widersetzlichkeit
Nachsorge


Physiologie des Schmerzes

      • Der genaue Mechanismus der Schmerzübertragung ist bislang nicht aufgeklärt
      • A-delta und C-Fasern sind verantwortlich für Schmerzleitung
      • A-delta Fasern

        • Dünn myelinisiert
        • Scharfer präzise lokalisierter Schmerz

                             C-Faser

        • Unmyelinisiert
        • Dumpfer - brennender, ungenau umschriebener Schmerz


Wirkungsmechanismus von Lokalanästhetika

    • Lokalanästhetika blockieren Na-Kanäle und verhindern dadurch Potrentialänderungen
    • Die Reihenfolge und der Grad der Anästhesierung sind abhängig vom Durchmesser und dem Typ der Fasern
      • B-Faser sind die ersten, die betroffen sind
        • Vasodilatation und lokaler Temperaturanstieg
      • A-delta und C-Fasern folgen als nächste
        • Verlust der Schmerzperzeption
      • A-gamma, A-beta und A-alpha Fasern werden als letzte ausgeschaltet und sind oft nur ungenügend geblockt
        • Verlust von Proprioception, Druck/Berührungsempfindung und motorischer Signalleitung
        • Diese Fasern müssen sehr präzise getroffen werden, um ihre Leitungsfähigkeit zu unterbrechen
        • Daher ist Schmerzfreiheit bei erhaltenem Berührungsempfinden möglich


Leitungsanästhesie (Perineuralanästhesie)

    • Betäubung eines sensorischen Nerven durch ein Lokalanästhetikum
    • Stufenweise Schmerzausschaltung von distal nach proximal
    • Systematisches Vorgehen
    • Genaue anatomische Kenntnisse
    • Relativ ungefährlich
    • Eingrenzung von Regionen


Ringblock

    • Sicheres Abblocken, wenn anatomische Abweichungen vermutet werden


Infiltrationsanästhesie

    • Betäubung eines eng umschriebenen Bereiches
      • Überbein
      • Sehnen und Bandansätze


Intrasynoviale Anästhesie

    • Betäubung von Gelenken oder Sehnenscheiden (Die nervale Versorgung der Auskleidung wird ausgeschaltet)
    • Nur Bereiche, die mit dem Anästhetikum in Kontakt kommen werden anästhesiert.
    • Gefahr der Infektion
    • Gefahr von Gelenksreaktionen
    • Nicht alle Gelenke sind leicht zu punktieren
    • Gelenksentzündungen werden verstärkt
    • Kein adrenalinhaltigen Lokalanästhetika in Gelenke injezieren


Probleme

    • Erhöhte Gefahr von Frakturen
      • Niemals bei Fraktur / Fissurverdacht anästhesieren
      • Besitzer auf Risiko hinweisen
      • Person, die Pferd führt, instruieren
      • Vorsicht auf gebogenen Linien, Vorreiten, Longieren
    • Restlahmheit
      • Sitzt die Anästhesie? Überprüfung der Hautsensibilität nicht immer aussagefähig, sowohl falsch positiv, wie falsch negativ möglich!
      • trotz sitzender Anästhesien keine Schmerzfreiheit
      • % der Restlahmheit notieren
      • Multiple Schmerzherde
      • Mechanisch bedingte Lahmheiten
      • Pferd erwartet Schmerz und lahmt weiter, obwohl Schmerz ausgeschaltet ist
      • Variabilität der Innervation
      • Schmerzübertragung durch Hautnerven
      • Manche Pferde werden im Gang unsicherer, je weiter proximal die Anästhesie gesetzt wird
      • Je weiter proximal, desto unspezifischer und unsicherer werden Leitungsanästhesien
      • Bei Gelenksanästhesien werden periartikuläre Strukturen sowie subchondrale Defekte mit geschlossener Knorpeloberfläche nicht oder nur ungenügend anästhesiert - speziell bei zunehmender Größe der Gelenke
      • Gelenksanästhesien betäuben aber u. U. auch periatikuläre Strukturen (z.B. die Karpalgelenksanästhesie die Insertion des Unterstützungsbandes der oberflächlichen Beugesehne, die Hufgelenksanästhesie den Strahlbeinkomplex, die Sehnenscheidenanästhesie der Beugesehnen den N. palmaris)
    • Umspringen
      • Schmerzherd auch auf der anderen Gliedmaße
      • sehr häufig bei distalen Erkrankungen, bes. Podotrochlose
    • Verstärkung der Lahmheit
      • Hinweis auf Erkrankungen an der proximalen Gliedmaße
      • Pferd kann wegen ausgeschalteter Proprioception Lahmheit nicht mehr so gut ausgleichen
      • Verdacht, daß evtl. auch muskuläre Strukturen (sekundär?) betroffen sind
    • Dauer der Wirkung, Einsetzen der Wirkung
      • 1. Kontrolle nach 10 min (evtl. bereits nach 5 min Vorkontrolle)
      • evtl. nach weiteren 5 min Verlauf kontrollieren
    • Menge des Anästhetikums
    • Lähmungen
      • bes. bei proximalen Leitungsanästhesien


Allgemeine Methodik

    • Konsequent Schema einhalten und von distal nach proximal anästhesieren
    • Aseptik
      • Abhängig von Art der Anästhesie
      • Rasieren
      • Desinfizierende Seife, Alkohol, Kodan, Wundbenzin
      • Sterile Handschuhe
      • Für intrasynoviale Anästhesien unangebrochene Flaschen mit Lokalanästhetikum verwenden
      • An der Hinterhand Schweif kontrollieren
    • Ruhigstellung / Zwangsmaßnahmen
      • Bremse
      • Aufheben, Halten der Gliedmaßen
      • Evtl. sehr gering dosierte Sedierung
    • Lokalanästhetika
      • Wirkung von Lidocain setzt nach etwa 3 min ein
      • Wirkung von Bupivacain setzt erst nach 15 min zuverlässig ein
      • Intraartikuläre Anästhesie mit Mepivacain setzt in distalen Gelenken nach 5 min ein und hält 55 min an
      • Procain eignet sich nicht zur intrasynovialen Anästhesie, da es kein Oberflächenanästhetikum ist
      • Evtl. Lokalanästhetika mit Adrenalin (Epinephrin) zur Gefäßkonstriktion
        • Verlängerte Dauer der
        • nicht im Gelenk!! - Gefahr der Nekrose durch Minderdurchblutung
        • nicht bei großen Volumina
      • so wenig wie möglich - soviel wie nötig

Handelsname

Zusammensetzung 

Potenz

Wirkungs- dauer 

 (min)

Reak- tion nach- weis- bar* 

Tage

Alvecain® 5%

Procainhydrochlorid

1

20-45

3-4

Carbostein® 0,5%

Bupivacainhydrochlorid

5-10

400-450

2

Forticain® 2%

Lidocainhydrochlorid

1,5-2

60-120

3-4

Hostacain®

Butanilicainphosphat 2%

1

?

14

Isocain®

Procainhydrochlorid 2%+ Epinephrin 0,25%

1

90-180

3-4

Lidocain® 2% 

Lidocainhydrochlorid

1,5-2

60-120

6

Lurocain®

Lidocainhydrochlorid 2%

1,5-2

60-120

4-5

Neocain® 5%

Procainhydrochlorid 4,5% + Tetracainhydrochlorid 0,5%

10-20

400- 

450

12

Scandicain® 0,5%

Mepivacainhydrochlorid

1,5-2

60-120

2

Xylonest® 2%

Prilocainhydrochlorid

1,5-2

60-120

2-3

  Tabelle 2: Handelsübliche Lokalanästhetika (* Traceranreicherung im Szintigramm)
  • Injektionstechnik
    • Geeignete Kanülen
      • je dünner desto weniger Abwehrreaktionen des Pferdes
      • geringere traumatische Einwirkung bei Abwehrreaktionen, brechen aber bei ungeschickter Handhabung leichter
      • weniger Nachblutungen
    • Hautfalte an der Injektionsstelle
      • reduzierte Gefahr, ein Gefäß oder andere Strukturen zu punktieren
      • reduziert die Schmerzhaftigkeit des Einstiches
    • Nie mit aufgesetzter Spritze stechen
    • Schnell stechen und dabei das Pferd ablenken lassen
    • Bei tieferen Injektionen unter Injektion von Anästhetikum Kanüle vorschieben
    • Spritze nur so fest aufsetzen, daß sie ganz leicht abgenommen werden kann, wenn das Pferd Abwehrreaktionen zeigt
      • Spritze so halten, daß sie blitzschnell abgenommen werden kann
    • Kontrollieren, ob ein Gefäß oder andere Strukturen punktiert wurden
      • Bei Gelenken mit leerer 5ml Spritze Synovia aspirieren
      • Nach Möglichkeit soviel Synovia abziehen, wie Anästhetikum injiziert werden soll
      • Wenn nicht möglich, 1ml Luft injizieren, um anliegende Synovialis abzuheben und Synovia nachlaufen zu lassen (funktioniert nicht immer)
      • Nicht zu schnell injizieren
      • An der distalen Gliedmaße auf Quaddel achten
      •  

  •  Überprüfung von Sitz der Anästhesie
    • Überprüfung der Hautsensibilität
    • Nicht immer aussagefähig, sowohl falsch positiv, wie falsch negativ möglich!
    • Proximal des Fesselgelenkes nicht oder nur eingeschränkt möglich
    • Auge des Pferdes zuhalten
    • Zug der Haut kann für Reaktion ausreichen, Haut nicht verschieben
    • Nicht mit scharfen Gegenständen testen (Kugelschreiber)


Widersetzlichkeit

    • Besonders an der Hinterhand zeigen manche Pferde trotz Bremse zu große Abwehrreaktionen, um eine Anästhesie ohne Gefahr für Personen und Pferd durchzuführen.
    • Abhilfe:
      • Mit Xylazin tief sedieren
      • Bupivacain als Lokalanästhetikum verwenden
      • Nach 30-60min wieder vortraben.
    • Problem:
      • Anästhetikum diffundiert weiter als erwünscht
      • Xylazin hat eine schmerzstillende Komponente
      • Es kann jeweils nur eine Anästhesie gesetzt werden


Nachsorge

    • Je nach Art und Umfang der Anästhesie
      • Verband
      • Antiphlogistika
      • Antibiotika
    • Vorsicht beim Verladen und beim Transport anästhesierter Pferde
    • (Aufklärung!)



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Der Autor übernimmt ausdrücklich keine Haftung für aus diesen Seiten abgeleitete Maßnahmen, für angegebene Dosierungen, Nebenwirkungen oder Schäden in Folge der Anwendung von Präparaten oder Maßnahmen. Die Dosierung ist im Einzelfall zu prüfen. Die Präparate dürfen nur von Tierärzten angewandt werden. Die Zulassung der Präparate für das Pferd ist im Einzelfall zu prüfen. Nicht für das Pferd und für die jeweilige Indikation zugelassene Medikamente anzuwenden ist strafbar.


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