Diagnostik

Verfasser der Artikel ist soweit nicht anders vermerkt Dr. C. A. Bingold, Pferdeklinik Großostheim

Neben den Lahmheiten sind Lungenprobleme für unsere Pferde immer noch die größte gesundheitliche Bedrohung. Leider entwickeln sich die schon als üblich zu bezeichnenden geringgradigen Atemwegsprobleme der Stallpferde vom lästigen sporadischen Husten über leistungsbehindernde Zustände hin zur irreversiblen Dämpfigkeit.

In Hinblick auf Diagnostik und Therapie ist die Zeit nicht stehen geblieben. Was in der Humanmedizin möglich ist, ist prinzipiell auch in der Pferdemedizin machbar. Die Krankheitsbilder des Pferdes sind denen des Menschen sehr ähnlich, aber nicht gleich zu setzen. Das Pferd dient in manchen Bereichen inzwischen als Modell für Lungenerkrankungen des Menschen. Die chronischen Lungenerkrankungen der Pferde (RAO und IAD) sind dabei jedoch nicht dem Asthma gleichzusetzen, sondern eher den Berufserkrankungen von Arbeitern, die organischem Staub ausgesetzt sind (Baumwollfabriken, Tabakverarbeitung,...).

Wenn man das Wissen für die Therapie nutzen will, muß man eine entsprechende Diagnostik vorausschicken. Die moderne Diagnostik ist aber zum Teil aufwändig und dadurch teuer.

Im folgenden eine Auflistung der Untersuchungsmethoden bei Lungenerkrankungen der Pferde.

 

Adspektion

Hierunter versteht man die Betrachtung des Patienten. Wie sieht die Atemcharakteristik aus? Liegt eine entspannte Atmung vor oder muß sich das Pferd bereits anstrengen, um die Luft aus der Lunge wieder herauszubekommen? Besteht der Zustand schon so lange, daß sich eine Dampfrinne gebildet hat?

Kosten und Aufwand: gering

Nutzen: Basisdiagnostik

 

Auskultation

Das Abhören der Lunge mit einem hochwertigen Stethoskop zur Beurteilung von Atemgeräuschen ist immer noch die Basis der Untersuchung. Durch eine Atemstimulation kann der Luftstrom erhöht und die sonst oft nicht hörbaren Atemgeräusche beurteilbar gemacht werden. Dazu werden dem Pferd entweder die Nüstern zugehalten, bis es in Atemnot gerät, oder ein Medikament gespritzt (Lobelin), das diese Atemnot chemisch simuliert. Welche Methode auch immer - man muß den Pferden klar machen, daß sie "tief durchatmen" sollen.

Kosten und Aufwand: gering

Nutzen: Basisdiagnostik

 

Perkussion

Durch Abklopfen der Lunge können Felder, die nicht mehr beatmet werden, lokalisiert werden. Weit häufiger spürt man Bereiche auf, die wegen einer Einengung der Atemwege durch einen Atemwegskrampf oder wegen einer Verlegung durch Schleim nicht mehr entleert werden können und einen trommelartigen lauten Schall abgeben. Außerdem wird die Größe und Kontraktionsfähigkeit der Lunge beurteilt. Im Verlauf der Erkrankung verliert die Lunge ihre Elastizität, womit das perkutierbare Lungenfeld größer wird.

Kosten und Aufwand: gering

Nutzen: Basisdiagnostik

 

Bronchoskopie

Die Bronchoskopie, besonders die Videobronchoskopie, ermöglicht eine direkte Beobachtung des Zustandes der Atemwege. Beurteilt werden können Verschleimungsgrad und Qualität des Schleimes sowie der Reizzustand der Luftröhre und der großen Bronchien. Außerdem kann man zu einem gewissen Grad den Aufblähungszustand der Lunge feststellen. Während der Bronchoskopie können unter Sichtkontrolle Schleimproben zur Analyse entnommen werden. Über die Sekretanalyse kann man gut zwischen RAO und IAD einerseits und andererseits den verschiedenen Schweregraden unterscheiden.

Kosten und Aufwand: mittel

Nutzen: hoch

Blick durch das Endoskop in die Lunge

Schleim in der Luftröhre

Schleimprobenentnahme mit Katheter

 

BAL (Broncho-Alveoläre-Lavage)

Die Weiterentwicklung der Schleimentnahme aus der Luftröhre mit dem Bronchoskop ist die BAL. Sie ist die akkurateste Methode, um festzustellen, was auf zellulärer Ebene in der Lunge abläuft. Ziel ist es, Zellen aus den tieferen Abschnitten der Lunge herauszuspülen und diese zu analysieren. Dem Pferd wird dabei unter lokaler Betäubung mit Hilfe eines speziellen Schlauches (Bivona, USA) eine Spülflüssigkeit in einen abgesiegelten Lungenabschnitt verbracht und wieder herausgezogen. Das Ganze klingt etwas gefährlich und unangenehm, was es in der Realität aber nicht ist. Die Prozedur ist zwar aufwändiger als eine Bronchoskopie, aber für das Pferd mit dieser vergleichbar. Die Art und Anzahl der herausgespülten Zellen gibt Aufschluß über den spezifischen Entzündungsmechanismus in der Lunge und erlaubt so sehr gezielt Medikamente zur Therapie einzusetzen. Außerdem kann man von der Spüllösung eine bakterielle Kultur anlegen, um eventuell vorhandene Keime aufzuspüren. Gegenüber der Schleimprobenentnahme mittels Bronchoskop ist die BAL empfindlicher und genauer. Bei Pferden, die noch keine deutliche Schleimproduktion zeigen aber eine unzureichende Lungenfunktion haben, die sich in einer Leistungsschwäche äußert, kann mit der BAL die Ursache diagnostiziert werden. Da die Zellen aus der Lunge und nicht aus der Luftröhre entnommen werden, ist die Diagnostik auch sicherer.


BAL Schlauch zur Entnahme der Spülprobe


BAL Schlauch durch den Kehlkopf

 

Sekretanlyse

Schleimproben können auf den spezifischen Zellgehalt und Produkte, die im Verlauf der Erkrankung gebildet werden nach Anfärbung im Labor unter dem Mikroskop beurteilt werden. Im Hinblick auf die Krankheitsprozesse, die sich gerade in der Lunge abspielen , ist diese Untersuchung höchst aussagekräftig.

Kosten und Aufwand: mittel

Nutzen: hoch


Mikroskopisches Bild von Zellen aus BAL Flüsigkeit (die großen dunklen Strukturen in der Mitte sind eingeatmete Bestandteile und stammen aus dem Heu!, die runden Gebilde sind Entzündungszellen)

 

Bakteriologie

Eine bakteriologische Untersuchung aus Schleimproben ist sehr leicht möglich. Eine gewisse Keimbesiedlung der Atemwege mit nicht krank machenden Keimen ist sozusagen "normal". Diese Keime brauchen, da sie nicht an der Erkrankung beteiligt sind, auch in den meisten Fällen nicht behandelt zu werden. Wichtig bei der Probenentnahme ist, daß das Untersuchungsmaterial aus den tieferen Atemwegen stammt (Bronchoskopie oder BAL). Aus den Nüstern oder Nasengängen stammendes Material ist durch äußere Keime verschmutzt und wenig aussagefähig.

Kosten und Aufwand: gering

Nutzen: häufig nur gering

 

Blutgasanalyse

Mit Hilfe der Blutgasanalyse kann aus einer arteriellen Blutprobe die Sauerstoffsättigung des Blutes und die Fähigkeit "Abgase" abzuatmen, bestimmt werden. Damit läßt sich, vor allem wenn man eine Belastungsprobe durchführt, die Gasaustauschfähigkeit bzw. die Funktionstüchtigkeit der Lunge ermitteln. Dieser Test läßt sich nur durchführen, wenn in der Praxis das entsprechende Laborgerät vorhanden ist oder ein Krankenhaus die Probe kurz nach der Entnahme untersuchen kann, da die Analyse sehr kurz nach der Entnahme durchgeführt werden muß.

Kosten und Aufwand: mittel

Nutzen: mittel

 

Allergietest

Die meisten tiermedizinischen Labors bieten inzwischen die Möglichkeit an, Allergietests auf der Basis von eingeschickten Blutproben durchzuführen. Der in der Humanmedizin häufig angewandte Hauttest ist generell auch beim Pferd möglich aber nicht praktikabel. Beide Untersuchungsmethoden bringen aber bei der RAO des Pferdes letztlich recht wenig, da die unspezifische Komponente der Erkrankung sehr groß ist und eine Desensibilisierung gegen ein spezifisches Allergen meist bei dieser Erkrankung nicht funktioniert.

Kosten und Aufwand: mittel

Nutzen: gering

 

Digitales Röntgen

Da das digitale computergestützte Röntgen wesentlich empfindlicher ist als das herkömmliche Film/Foliensystem, wird es auch beim Pferd möglich, bei geringer Strahlenbelastung brauchbare Röntgenbilder der Lunge zu erstellen. Chronische irreversible Schäden lassen sich dadurch von umkehrbaren Krankheitprozessen eher abgrenzen.

Kosten und Aufwand: mittel

Nutzen: mittel



















































PA





























PV
Röntgenbild einer normalen Lunge, Arterie (PA) und Vene (PV) als Doppelstrang deutlich sichtbar

Röntgenbild einer Lunge mit Verschattungsherden, wie sie bei einem Tumor auftreten

 

Lungenfunktionstest

Mit Hilfe von Lungenfunktionstests kann der Grad der Beeinträchtigung der Lungenfunktion ermittelt werden. Diese Tests fallen in der Pferdemedizin noch immer in den wissenschaftlichen Bereich, da der instrumentelle Aufwand sehr hoch ist. Nur Universitäten, die in diesem Bereich forschen, führen solche Untersuchungen durch. Eine vereinfachter Lungenfunktionstest für die Praxis hat sich auch wegen der geringen praxisrelevanten Aussagefähigkeit nicht durchsetzen können.

Kosten und Aufwand: hoch

Nutzen: hoch

 

Ultraschall

Die Ultraschalluntersuchung ist vor allem beim Verdacht einer Abszeßbildung (meist beim Fohlen) oder einer Rippenfellentzündung (Shipping Fever nach extrem langen Transporten) von Bedeutung. Für die Diagnostik der üblichen Lungenerkrankungen ist sie meist nicht sonderlich hilfreich. Diese Ultraschalluntersuchung ist nur mit speziellen tiefer in den Körper eindringenden Ultraschallsonden möglich. Ultraschallköpfe zur Gliedmaßendiagnostik eignen sich dazu nicht.

Kosten und Aufwand: mittel

Nutzen: bei der normalen chronischen Hustenproblematik gering


<<  Fibrinfaden
Hochgradige Flüssigkeitsansammlung mit Fibrinfaden bei Rippenfellentzündung

 

Zum Abschluß noch eine Anmerkung

Die einfachste Diagnostik ist eigentlich das Pferd aus seiner mit organischem Staub überladenen Umgebung herauszunehmen und in eine Offenbox mit Späne oder Hanfstroheinstreu und Heusilagefütterung umzustellen. Bei den meisten chronischen Hustern ist selbst ohne weitere Therapie nach wenigen Tagen eine wesentliche Besserung zu bemerken. Der Tierarzt hat dann nichts mehr zu behandeln und die Ursache der Husterei ist geklärt - womit sich auch der Abschnitt "Therapie" der chronischen Lungenerkrankung erübrigen würde (ich schreib´ ihn aber trotzdem).

 


Der Autor übernimmt ausdrücklich keine Haftung für aus diesen Seiten abgeleitete Maßnahmen, für angegebene Dosierungen, Nebenwirkungen oder Schäden in Folge der Anwendung von Präparaten oder Maßnahmen. Die Dosierung ist im Einzelfall zu prüfen. Die Präparate dürfen nur von Tierärzten angewandt werden. Die Zulassung der Präparate für das Pferd ist im Einzelfall zu prüfen. Nicht für das Pferd und für die jeweilige Indikation zugelassene Medikamente anzuwenden ist strafbar.


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